Lieber Herr Uffinger!
Vielen Dank für Ihre lieben Zeilen.
Die Probenangelegenheit ist für mich so nicht tragbar.
Es müsste doch zu erreichen sein, dass ich am Samstag
eine 1 ½ - 2-stündige Probe machen könnte. Diese
kann ja auch im Orchesterraum des Nationaltheaters oder im
Foyer sein. Den Odeonsaal habe ich anlässlich der Donnerstag-
Probe dann ausprobiert.
Es ist nicht an dem, dass ich in München eine
Orgie an probieren feiern will, aber es ist nicht möglich,
dass nur eine Probe, noch dazu 3 Tage vor dem Konzert,
stattfindet. Das ist schon für das Renommée der
musikalischen Akademie nicht tragbar. Ich erinnere mich
dabei an frühere Kritiken in Münchener Zeitungen, wo
von „nahezu probenlosen, repertoiremässigen Aufführungen
klassischer Meisterwerke“ die Rede war. Da es leider
üblich ist, dass viele Musiker von Kapellmeistern begeistert
sind, die „noch weniger“ probieren, so kommt so
etwas immer in irgendeiner Form an die Oeffentlichkeit.
Der Dumme ist dann der Dirigent, über den gesagt wird:
Sehr begabt, aber leider faul, probiert fast nichts: (Mir selbst
passiert. Ein prominenter Kollege hat z.B. durch eine
entsprechende Äusserung meine Prager Berufung gefährdet.)
Sie sehen, ich bin da sehr vorsichtig geworden. Andererseits
halte ich nichts von Proben, die über 3 Stunden dauern.
Krauss hat mir seiner Zeit gesagt, die Generalprobe zu
Falstaff sei am 31. Jan. und am 1. Febr. sei eine leichte
Oper. Ihr Spielplan kann sich doch nicht so grundlegend
verändert habe. Abgesehen davon stehe ich auf dem Standpunkt,
dass die Konzerte Angelegenheit des Orchesters sind und dass
folglich so viel Interesse und Opferbereitschaft für diese vorhanden
sein muss, dass am Tage vor dem Konzert sich eine
kurze Probe einrichten lässt.
Dispositionsmässig schlage ich Ihnen folgendes vor:
Donnerstag: 10 Uhr - etwa 11 ½ Brahms II:
Pause
11 ½ Klavierkonzert
12 ½ Bach
Samstag zu einer noch zu vereinbarenden Zeit
Bach und Teile von Brahms.
Nun bitte ich Sie, um Zeit zu sparen durch einen
Extra-Anschlag die Musiker für Bach einzuteilen,
sonst verlieren wir sehr viel Zeit bis alles sitzt:
Ich bitte darum, dass einige Geiger, die ein Instrument
haben oder schon Bratsche gespielt haben, beim Bach
Bratsche übernehmen, so dass 4 I. 4 II. 4 III. Bratschen
besetzt sind. Die dann übrigen Geigen (I. + II. zusammen)
teilen Sie bitte in 3 gleichstark besetzte Gruppen,
ebenso die Celli. Für Bach genügen 4 Bässe.
Ferner lege ich Wert auf Folgendes: Der Stimmführer der
normal II. Geigen übernimmt die Führung der III. Geigen,
die der II. entweder ein 2. Konzertmeister oder ein
besonders guter I. Geiger.
Diese Einteilung überlasse ich Ihnen, ich möchte
dabei erreichen, dass, wenn ich „Bach“ ansage, es
kein grosses Fragen gibt, sondern jeder weiß, was
und wo er spielt.
Die Sitzweise bitte ich so festzulegen:
[Skizze]
Wegen der Märzkonzerte sprechen wir
in München. Wenn nicht genügend Proben möglich sind,
müssen wir statt Reger ein anderes Werk wählen, was
bei der Liebe der Münchner für Reger sehr schade wäre.
Ich komme an 29. abends (Aus Richtung Wien)
in München an und wohne im deutschen Kaiser.
Lassen Sie mir dort bitte ein Einbettzimmer mit Bad
reservieren (Ruhige Lage).
Den Schwierigkeiten entsprechend, die sich bis jetzt
anzeigen (auch bei mir, da ich von einer Konzertreise im
Ostprotektorat komme, wo ich Troppau um einen Tag vorverlegen
musste), müsste es eigentlich ein grossartiges Konzert werden.
Hoffen wir das Beste!
Gestern hat Suttner bei mir im Prager Sender
ein sehr schönes Strauss-Konzert geblasen.
Ab morgen (25.) bin ich in Prag nicht mehr zu erreichen.
Falls Sie mir noch schreiben wollen, dann nach Troppau (Ost-
Sudetenland) Hotel Schlesischer Hof. Dort treffe ich am 27. ein u.
fahre am 28. über Wien nach München.
Bis auf baldiges Wiedersehen
bin ich mit herzlichen Grüssen
Ihr Joseph Keilberth
Bildnachweis: Archiv der Musikalischen Akademie