#500 
DIE JUBILÄUMSWEBSITE

Jede Woche wird es auf der #500 Jubiläumsseite etwas Neues zu entdecken geben, bis die Seite am Ende des Jahres 500 Kacheln umfassen wird. 
Mithilfe von verschiedenen Rubriken als Filtermöglichkeiten können Sie die Geschichte des Bayerischen Staatsorchesters durchstöbern. 
Durch Kurztexte, Essays, historische Dokumente, Fotos und Videos werden nicht nur die Konzerte während des Jubiläumsjahres vor- und nachbereitet, sondern auch die aktuellen Orchestermitglieder des Bayerischen Staatsorchesters sowie die Leiter dieses traditionsreichen Klangkörpers der vergangenen fünf Jahrhunderte einzeln vorgestellt.
Aus dem Archiv der Musikalischen Akademie werden unveröffentlichte Schätze wie Briefe von Carlos Kleiber und Bruno Walter ausgegraben.

#BSO500

BSOrec
Andrea Chénier
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Bildnachweis: EVISCO

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Das Revolutionstribunal hat Andrea Chénier zum Tode verurteilt, niemand kann sein Schicksal abwenden. Kurz vor der Hinrichtung bekommt Chénier Besuch von seiner Geliebten Maddalena, die sich entschieden hat, an der Seite des Poeten zu sterben. „Unser Tod ist der Triumph der Liebe“, versprechen sich die Liebenden mit ihren letzten Worten.

Die Französische Revolution, die zu Beginn vom Volk gefordert wird, entpuppt sich nach 1789 als eine Maschine des Terrors: Spione des Regimes verfolgen die Bürger, Schauprozesse dienen als Abschreckung und die Guillotine sorgt für die Vollstreckung der Urteile. Obschon der gesuchte Chénier aus Paris fliehen könnte, entscheidet er sich dagegen. Er will wissen, wer sich hinter den Briefen verbirgt, die ihm heimlich zugestellt werden. Hier, im Schatten der Schreckensherrschaft triumphiert die Liebe: Chénier und Maddalena finden sich, schwören sich ewige Liebe und sind sich treu bis zum letzten gemeinsamen Atemzug.

Der Regisseur Philipp Stölzl gab mit seiner Inszenierung von Umberto Giordanos Verismo-Oper sein Debüt an der Bayerischen Staatsoper. Das Münchner Traumpaar Jonas Kaufmann und Anja Harteros waren zu erleben in der Titelrolle und als Maddalena, Marco Armiliato dirigierte das Bayerische Staatsorchester. Jetzt kommt die Erfolgsproduktion im hauseigenen Label Bayerische Staatsoper Recordings als Blu-ray und DVD heraus.



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Bildnachweis: EVISCO

Programm
Semele
diesem Interview sprechen der Dramaturg Christopher Warmuth und der Regisseur Claus Guth über die neue Produktion von Georg Friedrich Händels Oper Semele.


Bildnachweis: Karolina Wojtas

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In diesem Interview sprechen der Dramaturg Christopher Warmuth und der Regisseur Claus Guth über die neue Produktion von Georg Friedrich Händels Oper Semele.


Bildnachweis: Karolina Wojtas

 

Zeitzeugnisse
Krzysztof Penderecki: Ubu Rex

Am 6. Juli 1991 gelang Krzysztof Pendereckis satirische Oper Ubu Rex im Nationaltheater zur Uraufführung und eröffnete die damaligen Opernfestspiele. Das Libretto in deutscher Sprache schuf der Komponist gemeinsam mit Jerzy Jarocki nach der Vorlage des Theaterstücks Ubu roi des französischen Schriftstellers Alfred Jarry aus dem Jahr 1896. In den zwei Akten mit jeweils fünf Szenen plant der Hauptmann Ubu eine Verschwörung gegen den polnischen König Wenzel, der dabei ermordet wird. Anschließend muss Ubu Krieg gegen Russland führen und schließlich nach einer Niederlage über die Ostsee fliehen. Der damalige Intendant der Bayerischen Staatsoper August Everding führte Regie, Michael Boder hatte die Musikalische Leitung inne.



Bildnachweis: Sabine Toepffer

Programm
Festspiel-Barockkonzert (Dall’Abacos Reisen)
https://pqpbach.ars.blog.br/category/dallabaco/, CC0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=119231902

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Am 3. Juli findet in der Alten Pinakothek das Festspiel-Barockkonzert statt. Dabei dirigiert Thomas Dunford ein Ensemble aus sechs Musiker:innen und der Sopranistin Ana Maria Labin. Der Komponist Evaristo Felice Dall’Abaco, welcher diesem Konzert seinen Namen verleiht, war ab 1704 für ein Jahr als Kammermusiker am Münchner Hof engagiert. Der Spanische Erbfolgekrieg erschwerte allerdings auch hier regelmäßige Beschäftigung der Musiker, und Dall’Abaco musste in anderen Städten nach Arbeit Ausschau halten. Später kehrte Dall’Abaco wieder zurück nach München und nahm sogar die Rolle des Konzertmeisters ein. Nach dem Tod Pietro Torris 1737 wurde Dall’Abaco nicht wie erhofft zum Hofkapellmeister ernannt, füllte seine Ämter noch einige Jahre länger aus und starb schließlich 1742 in München. Beim Festspiel-Barockkonzert erklingt seine Sonate G-Dur op. 6 Nr. 5 und Kompositionen heute bekannterer Zeitgenossen: nämlich von Antonio Vivaldi und Georg Friedrich Händel.



Bildnachweis: https://pqpbach.ars.blog.br/category/dallabaco/, CC0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=119231902

Programm
Festspielkonzert Attacca

Am 2. Juli ist ATTACCA, das Jugendorchester des Bayerischen Staatsorchesters im Prinzregententheater zu erleben und wird dabei von den Hornisten des Bayerischen Staatsorchesters Johannes Dengler, Franz Draxinger, Maximilian Hochwimmer und Rainer Schmitz unterstützt. Allan Bergius leitet dieses Konzert mit Robert Schumanns Konzert für vier Hörner und Orchester, Richard Strauss’ Symphonie Nr. 1 sowie einer Uraufführung des Komponisten Oriol Cruixent: Penta Infinitum, ein Concerto for Five Percussions and Symphonic Orchestra.

Zeitzeugnisse
Richard Wagner: Die Walküre

Auch wenn der Komponist es anders vorgesehen hatte und seine monumentale Ring-Tetralogie in seinem eigenen Festspielhaus in Bayreuth uraufführen lassen wollte, erklang dieser zweite Teil bereits am 26. Juni 1870 im Münchner Hof- und Nationaltheater. König Ludwig II. wollte nicht bis zur Fertigstellung des Bayreuther Festspielhauses warten und veranlasste daher die vorzeitige Uraufführung der Walküre gegen den Willen des Komponisten. Bis heute erfreut sich diese Oper über die alle gesellschaftlichen Normen sprengende Liebe des Zwillingspaars Siegmund und Sieglinde sowie die Verbannung seiner Lieblingstochter Brünnhilde durch den Göttervater Wotan enormer Beliebtheit.



Bildnachweis: Wilfried Hösl

Programm
1. Festspiel-Kammerkonzert (Rückblick – Ausblick)

Am 28. Juni findet im Cuvilliés-Theater der Auftakt der Festspiel-Kammerkonzerte statt. Nachdem OPERcussion – das Schlagzeug-Ensemble des Bayerischen Staatsorchesters – in diesem Jahr bereits ihre CD-Einspielung „Original Grooves“ im hauseigenen Plattenlabel Bayerische Staatsoper Recordings herausgebracht haben, begeistern sie jetzt mit einem Programm zeitgenössischer Kompositionen. Neben einer Eigenkomposition Claudio Estay González’ – eines Schlagzeugers aus diesem Ensemble – und einer älteren Auftragskomposition für das Ensemble durch den Komponisten Oriol Cruixent erklingt dabei auch die Uraufführung einer Auftragskomposition: Moritz Eggerts Die Geschichte des Schlagwerks in der Oper: 1700-2023 für 5 Schlagzeuger.

Meet the Musicians
Gaël Gandino (Harfe)

Ein sehr besonderes Konzert für Gaël Gandino war die 2. Symphonie von Gustav Mahler unter der Leitung von Claudio Abbado in Lissabon. Sie war zu dem Zeitpunkt Praktikantin bei den Berliner Philharmonikern. Am Ende des Stückes, als der Chor einsetzte, hat Abbado seinen Taktstock abgelegt und nur noch die Händen zusammen gehalten. Er hat leise mitgesungen, es war eine magische Stimmung. Sie war zu Tränen gerührt und wird diesen Moment nie vergessen. Ihr Lieblingsmusiker ist ihr direkter Nachbar im Orchestergraben, der Solo-Kontrabassist Florian Gmelin. Harfe und Kontrabass haben sehr oft dieselben Motive oder einzelne Töne, doch sie brauchen sich nicht anschauen. Die beiden empfinden die Musik auf die gleiche Art und sind immer synchron. Nach so vielen Jahren gemeinsamen Musizierens ist es für sie trotzdem noch überwältigend, das zu erleben. Als halbe Italienerin würde sie sehr gerne fließend Italienisch sprechen. Außerdem hätte sie große Chancen auf eine Goldmedaille fürs Kochen.


Bildnachweis: Wilfried Hösl

Zeitzeugnisse
Kinderschreiben ans Orchester 4
jugend@staatsoper.de.
Mit freundlicher Unterstützung der Freunde und Förderer der 
Musikalischen Akademie des Bayerischen Staatsorchesters 
München e.V.

für SchülerInnen der 3. und 4. Klasse

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MUSIKALISCHE AKADEMIE – DACAPO


DACAPO ist das Musikvermittlungsprojekt der Musikalischen Akademie des Bayerischen Staatsorchesters e. V. Es wurde von Musiker:innen des Orchesters für eine 3. und eine 4. Klasse an Grundschulen im Münchner Umkreis entwickelt. Innerhalb weniger Wochen besuchen Musiker:innen die ausgewählten Klassen der Schule. In Workshops stellen sie ihre Instrumente und ihren Beruf vor. Den Abschluss bildet nach Möglichkeit ein Konzert für alle Schüler:innen in der Schule. DACAPO verbindet damit die Begegnung mit KünstlerInnen sowie das Kennenlernen und Ausprobieren von Orchesterinstrumenten in den Workshops mit dem Erleben einer Konzertsituation.

Die Bewerbung für das Projekt DACAPO erfolgt über das Schulprogramm der Bayerischen Staatsoper an jugend@staatsoper.de.
Mit freundlicher Unterstützung der Freunde und Förderer der 
Musikalischen Akademie des Bayerischen Staatsorchesters 
München e.V.

für SchülerInnen der 3. und 4. Klasse

Meet the Musicians
Éva Lilla Fröschl, Horn

Für Éva Lilla Fröschl sind das Beste an ihrem Beruf die Vorstellungen. Von ihrem Platz im Orchestergraben aus kann man ein wenig von der Bühne sehen, und für die meisten Vorstellungen würde sie auch bezahlen, um dabei zu sein. Stattdessen wird sie fürs Spielen bezahlt – was könnte besser sein? Die hätte es sehr gerne erlebt, mit dem 2017 verstorbenen Sänger Dmitri Hvorostovsky die Oper Eugen Onegin aufzuführen. Wenn sie in einer beliebigen olympischen Disziplin antreten könnte, hätte sie beim Aufräumen die besten Chancen auf eine Goldmedaille.



Bildnachweis: Wilfried Hösl

Zeitzeugnisse
Carlos Kleibers Einladung in einen Biergarten

Lieber Herr Kleinknecht! [Friedrich Kleinknecht, bis 2007 Cellist des Bayerischen Staatsorchesters]

auf dem Bayer. Meer segle
ich mit unbestimmtem ziel ...
tausend Dank für Ihre
liebe karte! Wenn meine
Zahnärztin mich am Leben
lässt und das Wetter sich
stabilisiert, wäre es mir eine Ehre, mit Ihnen in einem Biergarten
Mass zu halten! Auf bald,
mit den besten Grüssen

Ihr
Carlos Kleiber



Bildnachweis: Archiv der Musikalischen Akademie

Lesestücke
Staatsorchester und Staatsballett – Partnerschaft? Freundschaft? Ehe?

von Wolfgang Oberender


Dass eine Ehe zwischen Bayerischem Staatsorchester und Bayerischem Staatsballett besteht, zeigt sich bereits daran, dass das Staatsballett – schon von der Zahl der gemeinsamen Dienste her – nach der Staatsoper der intensivste künstlerische Partner des Staatsorchesters ist. Fragen wir nach den Reibungsmöglichkeiten? Besser doch zunächst nach den Glücksmöglichkeiten. Womöglich ­– wie es im Leben zugeht – entspringt das eine aus dem anderen und sind beide nicht zu trennen.

Nehmen wir das Repertoire neben den Ballettpartituren wie Schwanensee. Mehr denn je begnügen sich Choreographen nicht mehr mit Musik, die exklusiv für Tanz komponiert wurde, greifen in den unendlich großen und unendlich kostbaren Kosmos der symphonischen Literatur. Leonid Massines Choreartium zu Brahms’ Symphonie Nr. 4, geschaffen 1931, ist ein spektakuläres Beispiel aus dem Münchner Repertoire. Die Diskussion innerhalb der Musikkritik, ob dies eine Vergewaltigung der Musik oder die Quelle eines choreographischen Jahrhundertwerks wäre, ist im Programmheft dokumentiert. Dreißig Jahre später verbietet Londons Covent Garden die Usurpation von Mahlers Lied von der Erde durch Kenneth MacMillan. Er choreographiert es an anderem Ort und kreiert ein Meisterwerk, das heute zum Ballett-Kanon gehört. In München wird es seit 2007 getanzt. Wie fühlt sich das Bayerische Staatsorchester damit? Die Werke sind ihm vertraut aus dem Repertoire der Akademiekonzerte, in deren Rahmen sie in intensiven Proben erarbeitet und dann auf dem denkbar höchsten Niveau in lediglich zwei bis drei Aufführungen präsentiert werden. An der Frage, ob diese Art Symphonik jemals im täglichen Ballett-Repertoire mit seinen begrenzten Probenzeiten gewahrt werden könnte, entzündete sich ein Konflikt mit dem damaligen Generalmusikdirektor Kent Nagano, der dann pragmatisch – nicht gerade die Lieblingsmethode großer absoluter Künstler – gelöst wurde. Aber es entstand daraus auch eine Freundschaft, als Nagano vorschlug, einen Abend mit Ravels Daphnis und Chloe selbst zu dirigieren, der dann sogar den Staatsopernchor miteinschloss. Erwähnen wir beispielhaft noch Instrumentalkonzerte, die zusätzlich den Konzertmeistern des Orchesters schönste Entfaltungsmöglichkeit geben: Sibelius’ Violinkonzert d-Moll im Rahmen des Balletts Shannon Rose, oder Gubaidulinas Konzert für Viola und Orchester in der Choreographie von Martin Schläpfer. Offen bleibt die Wunde, wenn ein Choreograph die Eigengesetzlichkeit eines musikalischen Werkes völlig außer Acht lässt, weil er die Musik als frei einsetzbares Mittel zum Zweck seines Werkes betrachtet. Aber er muss dann auch in Kauf nehmen, dass man sein Werk an der Qualität der „benutzten“ Kompositionen misst. Und es gehört schon sehr viel dazu, neben einer großen absoluten Komposition zu bestehen.

So oder so: Es bleibt eine große Geste der Freundschaft, wenn ein Weltklasseorchester die klassischen Werke der Musik dem Ballett zu Füßen legt! „Zu Füßen legen“ heißt zunächst einmal, von der Absolutheit und Freiheit der ausschließlich musikalischen Interpretation abzusehen und zu berücksichtigen, welche Bedeutung das Werk im Verhältnis zum Geschehen auf der Bühne hat. Zu spüren, welche Tempi in diesem Fall die richtigen, die notwendigen sind. Sich vielleicht – wie ein Rennpferd dem Reiter sich unterwirft – zurückzuhalten, wo ein kompliziertes choreographisches Geschehen Zeit braucht, sich im Dialog mit der Musik zu entfalten, während der Musiker eigentlich – aller Zügel ledig – davonstürmen möchte.

Doch nun zu den „legitimen“ Ballettpartituren: von Strawinskys Sacre du printemps über die Tschaikowsky-Klassiker bis zu Prokofjews Romeo und Julia oder Chatschaturjans Spartacus. Es gibt nicht viele Ballettcompagnien auf der Welt, die für solche Meisterwerke einen musikalischen Partner wie das Bayerische Staatsorchester haben. Womöglich gibt es sogar viele Orchestermitglieder, die sich auf solche „Dienste“ sogar freuen. Doch kann schon ein kleiner Schritt vom Wege in den Abgrund führen. Lässt das Orchester die delikate Kunst von Delibes Coppélia und Adams Giselle vielleicht noch gelten, so beginnen sich die Haare zu sträuben bei Namen wie Minkus, Drigo und Pugni. Umso mehr, als der Dirigent hier oft zu den abenteuerlichsten Tempo-Verrenkungen gezwungen scheint. Mancher Gala-Abend mit den berüchtigten Virtuosen-Pas-de-deux schlägt hier dem Fass den Boden aus.

Da war die Spezialkunst eines Mannes wie André Presser gefordert, der als „Ballettdirigent“ (ein Wort, das er hasste) zehn Jahre lang die musikalischen Geschicke des Staatsballetts leitete und so gut wie jede Vorstellung dirigierte. Da er im Lauf einer Spielzeit ungeheuer oft am Pult stand – viel häufiger als selbst der Generalmusikdirektor – verstand er besser als jeder andere die Psychologie des Orchesters. Und wusste, wie wichtig es ist, dass die Musiker mit Freude musizieren können. Er sah im Bayerischen Staatsorchester das beste Opernorchester der Welt. Und „Opernorchester“ meinte für ihn mehr als Konzertorchester. Die Musiker brauchen ganz andere Fähigkeiten der Reaktion und Flexibilität in jedem neuen Augenblick, sie müssen in der Lage sein, rasch wenige entscheidende Hinweise umzusetzen. Unprofessionelles Arbeiten ging Presser auch im Ballettsaal gegen den Strich. „Eine wahre Ballerina kann sogar in Stöckelschuhen ihre Tempovorstellungen klarmachen“ schwärmte er von einer Probe, wie die große Yvette Chauviré Giselle für ihn auf der Bühne durchging – in high heels! – und damit absolut klar machen konnte, was sie brauchte. Er wollte eindeutige Ansagen hören, was der Tänzer brauchte; er konnte es nicht ausstehen, wenn man hin- und herschwankte. Dann zog er es vor, Tänzer Tänzer sein zu lassen und zu tun, was er für richtig hielt. Er war einer der nicht allzu vielen Dirigenten auf der Welt, die exakt erspüren, wie ein Tänzer am Tag der Vorstellung drauf ist, und wie er das Orchester führen muss, damit der Tänzer sich optimal präsentieren kann. Deshalb liebten sie ihn. Und deshalb respektierte ihn das Orchester in seiner hohen Kunst des Vermittelns.

Noch ein Wort zu den Fällen, wo das „Dienen“ für ein Orchester bitter zu werden scheint. In Fällen der genannten „Ballettmusik“ von Minkus etc. Nicht jeder kann den Charme, die Beschwingtheit dieser Musik schätzen, die so ausgesprochen Luft für den Tanz lässt. Vielleicht hilft es aber, die Parallelen zu den Werken des Belcantos in der Oper zu sehen, wo der über-sparsame Orchestersatz oft in besonderem Maße der Vollendung durch den Gesang bedarf. Während man jedoch die Töne der Sänger im Orchester hört und das gemeinsam erreichte künstlerische Ergebnis für den Musiker im Graben damit ganz praktisch erlebbar ist, geschieht der „Belcanto“ der Tänzer außerhalb der Reichweite der Musiker. Sie werden dann sozusagen sitzengelassen mit ihrem Anteil, dessen Fragmenthaftigkeit damit umso stärker hervortritt. Wenn es die Ritardandi und Fiorituren einer Primadonna hört, versteht das Orchester, warum es so und so reagieren muss. Während es von den „Koloraturen“ einer Ballerina, den „Spitzentönen“ eines Solotänzers nur indirekt etwas mitbekommt durch Reaktionen des Publikums und des Dirigenten. Dass ein Orchester seine Aufgaben in diesen „Belcanto“-Balletten mit Geduld, Feingefühl und musikalischem Ernst tut, ist Profitum, darum nicht weniger bewunderungswürdig.

Mit Pressers Pensionierung und dem Beginn eines neuen Jahrtausends änderte sich auch die Dirigenten-Politik des Staatsballetts hin zu einer größeren Variabilität der Dirigenten, wie sie in der Oper schon längst selbstverständlich war.

Was ist, wenn sich sehr unterschiedliche historische Konzepte von Ballett und Orchester entgegenstehen? Wie einmal unter Staatsintendant Peter Jonas, als das Bayerische Staatsorchester mit dem Dirigenten Ivor Bolton sein Bewusstsein in Sachen historischer Aufführungspraxis so entschieden hatte erweitern können. Dagegen stand das historische Bewusstsein des Staatsballetts in seiner Pflege des Repertoires von George Balanchine. Konkret im Fall von Concerto Barocco zu Bachs Konzert für zwei Violinen und Orchester. Gehört nicht die Klang- und Tempovorstellung von Bach, wie sie der Konzeption des großen amerikanischen Choreographen im Jahre 1941 zugrunde lag, untrennbar zur künstlerischen Substanz des Balletts?

Immer wieder kommt es zum Wunder des Gelingens, wo alle Widersprüche in reines Glück transzendiert wurden. Sicher nicht jeden Tag und in jeder Vorstellung. Aber wenn gegen Ende des Lieds von der Erde die Stimme der Mezzosopranistin – vom ewigen Neu-Aufblühen des Frühlings kündend – über dem Orchester schwebt und die Ballerina alle fast menschenunmöglichen Schwierigkeiten ihres schwerelosen Dahingleitens über die Weite der Bühne vergessen lässt, wird einmal nicht von der Würde des Vergeblichen, sondern der Schönheit des Vollkommenen die Rede sein.



Bildnachweis: Serghei Gherciu

Programm
Tschaikowski-Ouvertüren

Alexei Ratmansky wählte für sein abstraktes Ballett Ouvertüren von Pjotr I. Tschaikowski aus, die dieser in verschiedenen Lebensphasen zur Aufführung im Konzert komponiert hatte. Inhaltlich gehen alle musikalischen Werke auf Dramen von William Shakespeare zurück: Hamlet, Der Sturm und Romeo und Julia. Obwohl Alexei Ratmansky kein Handlungsballett kreiert hat, tauchen die erzählerischen Motive aus den drei Werken Shakespeare immer wieder an der Oberfläche der choreographischen Struktur auf. Auf diese Weise bildet Shakespeares ‚Stimme‘ sowohl die Basis für das tänzerische Geschehen auf der Bühne als auch für die aus dem Orchestergraben erklingende Partitur. Traditionellerweise stehen die Ouvertüren am Anfang einer Oper oder eines Balletts und leiten zu einer Handlung über. In Alexei Ratmanskys Tschaikowski-Ouvertüren jedoch folgt Ouvertüre auf Ouvertüre, wodurch auf jedes Setzen eines Anfangs ein neuer Anfang folgt. Darin verwoben ist ein Grundversprechen des Theaters, mit jedem Öffnen des Vorhangs eine neue Welt erscheinen zu lassen. Mit den Mitteln des klassischen und neoklassischen Balletts verweist Alexei Ratmansky in seiner Choreographie kontinuierlich auf die Geschichte der Tanzkunst. So musste das Ballett in verschiedenen Epochen wiederholt buchstäblich um sein Überleben kämpfen. Dabei schwang stets die Hoffnung mit, dass die faktische Wirklichkeit in etwas Tänzerisches aufzulösen wäre. Die „Fantasie-Ouvertüren“, wie die von Tschaikowski gewählte Gattungsbezeichnung der im Ballettabend zu hörenden Orchesterwerke lautet, werden durch ihren schillernden Charakter zu idealen Vorlagen für ein Ballett, das sich gleichfalls als ein Fantasieren versteht: ein Fantasieren darüber, welche Rolle das klassische Ballett in der Gegenwart einnimmt, worin die Erinnerungen bestehen, die es mit sich trägt, und wie es seine Zukunft gestalten möchte.

Das Bühnenbild von Jean-Marc Puissant arbeitet mit verschiedenen Schleiern und raumgliedernden Elementen. Diese übersetzen die fortschreitende Enthüllung und den Aufbau von Erwartungen, die der Ouvertüre mit ihrem Ankündigungscharakter innewohnen, in visuelle Bilder. Der Bühnenraum ist mit transparenten Schleiern, beweglichen Flächen sowie skulpturalen Formen gestaltet. Ratmansky geht es nicht in erster Linie darum, eine konkrete Geschichte zu erzählen. Im Vordergrund steht die Freude an einem Ereignis, das von den vielfältigen emotionalen Stimmungen der Musik und den technischen Fertigkeiten der Tänzer:innen lebt.



Bildnachweis: Katja Lotter

Zeitzeugnisse
Thomas Mann an Bruno Walter über Palestrina

München den 24. VI. I7.


Lieber und verehrter Herr Walter:

Man verlangte leidenschaftlich nach Ihrem Erscheinen gestern Abend, was namentlich auch von dem hinter mir sitzenden Ehepaar Schillings lebhaft gebilligt und unterstützt wurde, und fand sich nur schwer mit der Thatsache Ihres Verschwindens ab, die Pfitzner mit sehr pittoresken Bewegungen demonstrierte. Er wurde nicht weniger gefeiert, als bei der Uraufführung und konnte, meine ich, auch mit der Zähigkeit zufrieden sein, womit nach dem II. Akt, trotz Dunkelbleiben des Hauses, der Beifall fast bis zum Beginn des Vorspiels zum III. anhielt. Ich fand gerade dieses dritte Vorspiel, mit der schönen Wiederholung des Ighino-Thema’s, ganz wundervoll gestern und habe alles in allem das Werk geistig und musikalisch innig genossen wie noch keinmal vorher. Daran hatte mein Platz viel Anteil: die Distanzierung von der Bühne und die Absonderung von der in diesem Theater so schön geschlossenen Masse des Publikums, die zu überblicken ein Vergnügen für sich ist, fördern bei mir die Stimmung sehr; und das Orchester klingt herrlich mild und klar da hinten. Aber die Placierung allein that es natürlich nicht. Ich war zum dritten Mal dabei, und es zeigte sich, daß ich in der Eroberung, Durchdringung, Erkenntnis dieses mir teuren, sympathischen, ja – darin liegt keine Anmaßung! – verwandten, in Lebensstimmung und Kunstgesinnung verwandten Werks eben doch schon weiter vorgeschritten bin: Namentlich an dem Eindruck von sublimer Kurzweiligkeit zeigte sich das, den ich gestern gewann, – von Längen, die manche Leute festgestellt haben wollen, um doch auch etwas festgestellt zu haben, nicht eine Spur; im Gegenteil: jeden Augenblick war der Wunsch rege: „Verweile doch,“ und mag es hysterisch klingen, so sage ich doch: es ist mir ein wahrer Schmerz, daß man nun sechs Wochen bis zum nächsten Mal warten muß.

Wie sehr dieser Palestrina mir am Herzen liegt, kann ich nicht sagen. Das Ja!, mit dem ich unmittelbar auf das Werk antworte, Stammt aus der Liebe und umfaßt alles, was man in artistischer Hinsicht etwa problematisch daran finden könnte. Mit seiner metaphysischen Stimmung, seinem Ethos von „Kreuz, Tod und Gruft“, seiner Vereinigung von Musik, Pessimismus und Humor (womit zusammen ich den Begriff der Humanität definiere) kommt es meinen tiefsten, eigensten Bedürfnissen entgegen, ja, sein Erscheinen eben jetzt bedeutet mir nicht weniger als ein großes Glück: es macht mich positiv, es erlöst mich von der Polemik, und meinem Gefühl ist ein großer Gegenstand damit geboten, an den es sich schließen kann und von dem aus gesehen das Widerwärtige – ich meine alles, was jenem meinem Begriff von Humanität widerspricht, und es giebt dergleichen! – in wesenlosem Scheine liegt.

Pfitzners verbrachten neulich einen Abend bei uns. Daß er sich wohl gefühlt hat, bezweifle ich, wiewohl er mindestens fünf Gläser Moselwein trank, auch eine größere Anzahl hausgebackener Kuchenplätzchen zu sich nahm und sich also wenigstens in dieser Hinsicht zu dem Gebotenen positiv verhielt. Im Übrigen ist er zum Sich wohl fühlen wohl nicht geboren: ein schwieriger, wunder, zwiespältiger Mensch, glaube ich, der bei aller Liebe zum erlösenden „Intellekt“, von der bösen Willenswelt seines II. Palestrina-Aktes ohne Zweifel viel in sich trägt. Er sagte aber über den Palestrina ein paar erschütternde Dinge, – auf die ich mündlich zurückkomme; denn ich sehe die fünfte Seite beinahe komplett und muß ohnedies damit rechnen, daß Sie diesen epistolographischen Überfall etwas wunderlich finden werden. Sei’s drum! wie ältere Dramatiker gern sagten. Was mich betrifft, so habe ich das Bewußtsein, diesen lendemain-Sonntag-Morgen gut und schicklich anzuwenden, indem ich Ihnen danke für alles, was Sie uns diesen Winter gegeben haben. Wenn ich zurückblicke, – die Euryanthe, die Winterreise, die Kindertotenlieder, der Heiling, um nur einiges zu nennen, und endlich der Palestrina: es war ja ein ganzes Füllhorn von sublimen Wohlthaten, was Ihre feurige Mittlergüte ausschüttete über Gerechte und – Ungerechte; und unser rascher Abschied gestern vorm Theater schien mir in diesem Sinne nicht ganz zulänglich.

Haben Sie mit den Ihren eine gute Ferienzeit; und sollten Sie einmal Lust haben, nach Tölz herüberzukommen, Wo wir vom 15. Juli an sein werden, So wissen Sie, daß Sie uns eine Freude damit machen.

Herzliche Grüße Ihnen und Ihrer Gattin von uns beiden.

Ihr Ihnen in Verehrung und Freundschaft ergebener

Thomas Mann.


Bildnachweis: Thomas-Mann-Archiv der ETH Zürich. Mit freundlicher Genehmigung des S. Fischer Verlags, Frankfurt am Main.

Programm
Hamlet
folgenden Text mehr über die Sicht des Regisseurs der Hamlet-Produktion Neil Armfield auf seine Inszenierung der Komposition Brett Deans, aber auch über Armfields grundlegende Beschäftigung mit dem Hamlet-Stoff, die bis in seine Schulzeit zurückreicht.



Bildnachweis: Wilfried Hösl

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Erfahren Sie im folgenden Text mehr über die Sicht des Regisseurs der Hamlet-Produktion Neil Armfield auf seine Inszenierung der Komposition Brett Deans, aber auch über Armfields grundlegende Beschäftigung mit dem Hamlet-Stoff, die bis in seine Schulzeit zurückreicht.



Bildnachweis: Wilfried Hösl

Zeitzeugnisse
Carlos Kleibers Lampenfieber

Sehr verehrter Orchester Vorstand!

Vielen herzlichen Dank für
Ihre freundlichen Zeilen vom 16.6.78,
und auch für die schöne Aufführung Traviata Tage zuvor.
Bei dieser Verleihungs-Sache da, hatte
ich grässliches Lampenfieber aber
in meinen verstotterten Bedankungsworte
bedankte ich mich namentlich bei
dem Orchester. Dies nur zur Berichterstattung

Ihnen immer äusserst verbunden,
Carlos Kleiber



Bildnachweis: Archiv der Musikalischen Akademie

Zeitzeugnisse
Richard Wagner über Tristan und Isolde

Meine geehrten Herrn und werthen Freunde!

Es ist mir unmöglich mit der heutigen dritten und
vorläufig letzten Aufführung von „Tristan“ von Ihnen
zu scheiden, ohne noch ein letztes Wort des Dankes an Sie
zu richten.

Wahrlich, ein erhebenderes Gefühl, als dasjenige, welches ich
in meinen Beziehungen zu Ihnen empfinde, kann nie einen
Künstler beseelt haben. Die Mutter die sich ihres mit Schmerzen
gebornen Kindes erfreut, kann nicht diese entzückende Befrie-
digung fühlen, die mich durchdringt, wenn ich meine so lange
stumm vor mir gelegene Partitur jetzt in solch einem warmen und
seelenvoll innigen Klangleben vor meinem Ohre sich bewegen
höre, wie Sie mir dies durch Ihre wunderbar schöne Leistung
bewirkt haben! Durch ein Lob meinerseits die Bedeutung
und Unvergleichlichkeit Ihrer Leistung erst anerkennen zu
wollen, hiese Sie in Ihrem eigenen schönen Bewußtsein nur
stören. Sie wissen alle, was Sie in und mit dieser Leistung
sind: was Sie – mir dadurch geworden sind, muß Ihnen Ihr Herz nicht minder sagen. Daß ich mich zu Jedem von
Ihnen persönlich Freund fühle, müssen Sie ebenfalls wissen,
denn nur die herzlichst erwiederte Freundschaft konnte Ihnen die
Wärme, das Feuer und das Zartgefühl eingeben, mit denen Sie der
Welt mein Werk laut und innig zutönten.

Die Stunden unserer gemeinschaftlichen Übungen haften in meiner
Erinnerung als die freundlichsten und ermuthigendsten meines Lebens:
die Tage und Jahre, die wir vielleicht noch gemeinschaftlich verleben
werden, sollen Zeugen für die edle Bedeutung jener Stunden der
Annäherung sein. So lange ich athme, wird es eine innige Angele-
genheit meines Herzens sein, Ihnen zu beweisen, wie sehr ich Sie
liebe, und von welchem Danke für Sie ich erfüllt bin!

Stets Ihr treuer und ergebener
Freund Richard Wagner.

München, 19. Juni 1865



Bildnachweis: Archiv der Musikalischen Akademie

Meet the Musicians
Susanne von Hayn, Fagott

Susanne von Hayn wusste bereits im Alter von 6 Jahren, dass sie Musikerin werden wollte. Sie wusste damals allerdings nicht, wie sie mit der Blockflöte ins Orchester kommen könnte. Hätte sie sich nicht für die Musik entschieden, hätte sie wahrscheinlich Medizin studiert, doch sie kann nicht sagen, was dann aus ihr geworden wäre. Ein Konzert im Olympiastadion oder ein Konzert im Windkanal von BMW waren etwas ganz Besonderes für sie.



Bildnachweis: Wilfried Hösl

BSOrec
Munich Opera Horns: Voyager
Hier geht es zur CD



Bildnachweis: EVISCO

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In diesem Jahr, in dem das Bayerische Staatsorchester sein 500-jähriges Bestehen feiert, machen uns die Munich Opera Horns ein besonderes Geburtstagsgeschenk. Der Titel ihres Albums Voyager ist dabei Programm. Zunächst ist es eine Reise in die Vergangenheit, denn das Horn ist das Symbolinstrument der Musik der deutschen Romantik und Postromantik. Erinnern wir uns daran, dass das Bayerische Staatsorchester damals wie heute bedeutende Hornisten in seinen Reihen hatte; ich möchte nur einen von ihnen nennen: Franz Strauss, Vater von Richard Strauss, erster Hornist bei den frühesten Ausgaben der Bayreuther Festspiele, so hochgeschätzt, dass sogar der selten lobende Richard Wagner über ihn sagte: „wenn er spielt, verzeiht man ihm alles“. Die Munich Opera Horns knüpfen an die lange Tradition an, für ihr Instrument geschriebene Kompositionen und Bearbeitungen von Klassikern des Repertoires aufzuführen. Sie sind aber auch fest in der Gegenwart verankert und bringen neue Werke zum Klingen, die eigens für ihr Ensemble komponiert wurden. Neben ihren Auftritten im Nationaltheater musizieren die Munich Opera Horns seit fünfzehn Jahren miteinander, um ihrem Publikum auf virtuose Weise sowohl den strahlenden Glanz als auch die Zartheit zu schenken, die sie ihren Instrumenten zu entlocken im Stande sind. Wir sollten sie die Munich Opera Wunderhorns nennen! Die vorliegende Aufnahme ist lebendiges Zeugnis dafür.

Serge Dorny Staatsintendant, Bayerische Staatsoper 


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Bildnachweis: EVISCO

Zeitzeugnisse
Julius Patzak an die Musikalische Akademie

Bildnachweis: Archiv der Musikalischen Akademie

Zeitzeugnisse
Hans Pfitzner: Palestrina

Im Prinzregententheater dirigierte Bruno Walter am 12. Juni 1917 die Uraufführung von Hans Pfitzners „Musikalischer Legende“ Palestrina. Sie handelt von dem im 16. Jahrhundert wirkenden historischen Komponisten Giovanni Pierluigi da Palestrina und die ihn umrankende Legende, dass dieser auf dem Konzil von Trient gerade so die Abschaffung der mehrstimmigen Kirchenmusik in der katholischen Liturgie verhindern konnte, indem er seine Komposition Missa Pape Marcelli vorlegte. Daraus resultiert, dass Palestrina in der Oper als Retter des Kontrapunkts gefeiert wird. Thomas Mann bezeichnete Pfitzners Oper als „etwas Letztes und mit Bewusstsein Letztes aus der schopenhauerisch-wagnerischen, der romantischen Sphäre, mit seinen dürerisch-faustischen Wesenszügen, seiner Mischung aus Musik, Pessimismus und Humor“. Die Bayerische Staatsoper brachte Palestrina zuletzt 2009 in einer Inszenierung von Christian Stückl auf die Bühne und veröffentlichte eine zugehörige DVD. Die damalige Dirigentin Simone Young hält Palestrina für „ein etwas zur Seite gelegtes Meisterwerk des deutschen Repertoires. Und ich finde es überhaupt nicht erstaunlich, dass Dirigenten, die sich sehr für die Musik Wagners eingesetzt haben, sich auch für die Musik Pfitzners einsetzen. Weil da starke musikalische Verbindungen sind.“ Der jüdische Uraufführungsdirigent Bruno Walter setzte sich übrigens bis zuletzt trotz der nicht unproblematischen politischen Verstrickungen Hans Pfitzners während des Nationalsozialismus für das Werk ein.



Bildnachweis: Wilfried Hösl

Meet the Musicians
Paolo Taballione, Flöte (Solo)

Wenn man Paolo Taballione mal in der Oper suchen sollte, trifft man ihn am ehesten im Probenraum an. Sein Lieblingsinstrument ist, abgesehen von dem eigenen im Orchester, die Gitarre, und sein liebster Monat ist der August. Seine Freizeit verbringt er am liebsten mit seinen Kindern.



Bildnachweis: Wilfried Hösl

Zeitzeugnisse
Richard Wagner: Tristan und Isolde
https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Joseph_Albert_-_Ludwig_und_Malwine_Schnorr_von_Carolsfeld_-_Tristan_und_Isolde,_1865e.jpg#/media/Datei:Joseph_Albert_-_Ludwig_und_Malwine_Schnorr_von_Carolsfeld_-_Tristan_und_Isolde,_1865e.jpg

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Am 10. Juni 1865 wurde im Münchner Nationaltheater Richard Wagners „Handlung in drei Aufzügen“ Tristan und Isolde uraufgeführt. Nachdem die vorherigen Versuche, das Werk auf die Bühne zu bringen, an mehreren Opernhäusern scheiterten – einschließlich an der Hofoper Wien nach fast 80 Proben –, ermöglichte die bedingungslose Unterstützung durch Ludwig II. in München schließlich das Projekt. Der Mythos um die Unaufführbarkeit dieser Oper wurde dennoch fortgeschrieben, nachdem der Uraufführungs-Tristan Ludwig Schnorr von Carolsfeld nur wenige Wochen nach den ersten Vorstellungen im Alter von 29 Jahren verstarb. Auch die beiden Dirigenten Felix Mottl und Josef Keilberth erlitten während Tristan-Dirigate in München Zusammenbrüche, die zum Tod beider führten. Bis heute ist Tristan und Isolde ein Wagnis für jedes Theater – wegen der immensen musikalischen Anforderungen an die Mitwirkenden (vor allem an die Titelpartien), aber auch wegen der äußeren Handlungsarmut bei dafür umso existenzielleren Themen, die in der Oper verhandelt werden. Die Todessehnsucht der beiden Liebenden durchzieht sämtliche drei Aufzüge, bis der ambivalente harmonische Verlauf der Musik mit Isoldes Verklärung am Ende aufgelöst wird. Der „Tristan-Akkord“, mit dem das musikalische Vorspiel einsetzt, avancierte in der Musikgeschichte zur klanglichen Chiffre für eine moderne Klangsprache, die in der Atonalität des 20. Jahrhunderts gipfeln sollte.



Bildnachweis: Joseph Albert: Ludwig und Malwine Schnorr von Carolsfeld als „Tristan und Isolde“ der Münchner Uraufführung, 1865, München, Staatliche Verwaltung der Schlösser. https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Joseph_Albert_-_Ludwig_und_Malwine_Schnorr_von_Carolsfeld_-_Tristan_und_Isolde,_1865e.jpg#/media/Datei:Joseph_Albert_-_Ludwig_und_Malwine_Schnorr_von_Carolsfeld_-_Tristan_und_Isolde,_1865e.jpg

Lesestücke
Vom Hoforchester zum Staatsorchester

Über die Öffnung eines traditionsreichen Klangkörpers


von Rita Argauer

Es klingt schier unglaublich, aber im Normalfall eines symphonischen Konzerts sitzen um die 100 Musikerinnen und Musiker auf der Bühne. „Warum sind das denn so viele?“, fragte mich zuletzt eine Freundin. Naja, das ist eigentlich ganz klar. Verglichen mit einem Pop- oder Rockkonzert ist so ein Symphoniekonzert immer noch ziemlich leise. Es wird ja nicht elektronisch verstärkt. Man hört nur die akustische Tonerzeugung – ins Vielfache gespiegelt, besonders bei den Streichern. Die vielen Musiker verstärken sich quasi wechselseitig. Sonst wären die Klangkörper angesichts der Größe der Säle, in denen die großen Orchester auftreten, schlicht zu leise. Im Münchner Nationaltheater etwa mit seinen über 2000 Plätzen. Ein Streichquartett auf der Bühne klingt da zart, intim. Aber wenn es um Wucht geht, um eine musikalische Überflutung des Raumes, kommt man mit vier Musikerinnen und Musikern nicht sehr weit. Und die Macht der Musik – das ist nicht zu unterschätzen – generiert sich immer auch über Dynamik. Je lauter der Klangkörper insgesamt werden kann, desto größer wird auch der dynamische Rahmen.

Jede Orchesterstelle, zumindest bei den großen Orchestern, ist subventioniert. Zurzeit gibt es 110 staatliche und städtische öffentlich finanzierte Orchester mit 8513 Planstellen in Deutschland. Diese vielen Musikerinnen und Musiker stellen sich zusammen auf eine Bühne und verschmelzen zu einem einzigen riesigen Instrument. Diese mächtige, dynamische, wuchtige und dadurch auch emotionale Musikfülle, die sich durch das Symphoniekonzert eines Orchesters vermitteln kann, ist nur möglich, weil die Orchester von öffentlicher Hand getragen werden – welch ein Glück, dass dieses kulturelle Gut zum Schatz unserer Gesellschaft zählt.

So bürgernah waren die Orchester nicht immer. Hofkapellen, Kirchenkonzerte – die Zweckgebundenheit des orchestralen Musizierens ist Teil der deutschen Musikgeschichte. Beim Bayerischen Staatsorchester vollzog sich aber Anfang des 19. Jahrhundert eine Wende: Das Orchester wird vom Hoforchester zum Staatsorchester. Seit 1811 gibt es die „musikalischen Akademien“ in München. Damals sprachen elf Orchestervertreter beim König vor, ob es denn möglich sei, dass das Orchester auch außerhalb seiner Operntätigkeit Konzerte spiele. Die Genehmigung wurde erteilt und so trat das Orchester – damals noch im Odeon – regelmäßig als Symphonieorchester auf. Das Bayerische Staatsorchester ist somit das erste öffentlich zugängliche Symphonieorchester der Stadt München.

Hinter diesen vielen Menschen auf der Bühne steckt also auch ein bestimmtes gesellschaftliches Ideal. Friedrich Schiller formulierte es in der Forderung nach einem Nationaltheater. Aufs Orchester übertragen, erfüllt sich dieses Ideal in der deutschen Orchesterlandschaft. Man möchte diese Musik in all ihrer Pracht und Fülle live erlebbar machen. Dazu braucht man all die vielen Musikerinnen und Musiker, die gleichzeitig spielen, die die Schallwellen, von ihren Instrumenten erzeugt, ohne Umweg in den Saal schicken. Der Klang ist überwältigend, und der Effekt polyphoner Auffächerung durch mehrfach geteilte Stimmen tut sein Übriges. All das ist kein Vergleich zu Aufnahmen oder zum Klang von per Mikrophon abgenommenen Instrumenten.

Die deutsche Orchesterlandschaft gehört zum immateriellen Weltkulturerbe der Unesco. Fast überall in Deutschland ist es möglich, zu relativ niedrigen Eintrittspreisen ein Live-Orchester zu sehen und zu hören. Wenn um die 100 Musikerinnen und Musiker mit ihrem Spiel einen akustischen Raum entstehen lassen, in den man entführt, von dem man umfangen wird, dann wird man als Zuhörerin oder Zuhörer von echten Emotionen erfüllt, ohne sie real erlebt zu haben.

Die musikalische Akademie, oder die Akademiekonzerte wie sie inzwischen meist genannt werden, sind heute eines der Herzstücke des Staatsorchesters. Das Orchester, das mehrheitlich im Graben spielt, wird bei den Akademiekonzerten selbst zum Protagonisten auf der Bühne. Die dadurch entstehende Spannung wird bei den Musikerinnen und Musikern spürbar. Das seltene Rampenlicht, das reichhaltige symphonische Repertoire, die Tatsache also, die Hauptrolle zu spielen – diese Umstände machen die Akademiekonzerte mit zu den schönsten Abenden der Saison im Nationaltheater.

Doch das Staatsorchester verlässt das Theater mittlerweile auch und geht auf die Straße, wird also bei Veranstaltungen wie Oper für alle noch greifbarer. Beim Oper für alle-Konzert wird in der Umgebung des Nationaltheaters gespielt, und seit der Spielzeit 2021/22 bei freiem Eintritt auch an unterschiedlichen Orten in ganz Bayern – für alle, die kommen wollen, die vorbeischlendern und sich von der Musik anziehen lassen. Um etwa den Marstallplatz akustisch zu beschallen, reicht zwar selbst eine Orchesterstärke von 100 Musikerinnen und Musikern nicht mehr aus und es wird elektronische Verstärkung nötig. Aber der Effekt funktioniert. Die Menschen kommen. Die Menschen spüren etwas. Besonders wenn mit ATTACCA das Jugendorchester des Staatsorchesters mitspielt. Denn wenn junge Musikerinnen und Musiker solche Stücke das erste Mal vor so großem Publikum aufführen, liegt darin ein ganz eigener Zauber.

Der Prozess der Öffnung der Orchester (und der Darstellenden Künste im Allgemeinen) für das Bürgertum im 19. Jahrhundert liegt nun schon wieder 200 Jahre zurück. Und da sich Strukturen über die Zeit verfestigen, muss an ihnen immer wieder gerüttelt werden, um sie aufzulockern. Die Bayerische Staatsoper tut dies mit Oper für alle, mit den Septemberfesten, mit Repertoireveränderungen und der Kooperation mit Künstlerinnen und Künstlern anderer Sparten, mit dem Aufheben der Trennung von Hoch- und Subkultur, mit Wegen ins Experimentelle, aber auch mit der Annäherung an Künstlerinnen und Künstler der sogenannten U-Musik. Stilistisch herrscht hier große Offenheit. Manches funktioniert, manches nicht. Die Bewertung dessen bleibt subjektiv – für die Orchestermitglieder genauso wie für die Zuschauerinnen und Zuschauer. Doch (Um-)Brüche, Schütteln und Rütteln erzeugen Bewegung. Und ebenso bewegt die musikalische und emotionale Kraft von über 100 Musikerinnen und Musikern auf der Bühne heute immer noch. Daran ist wiederum kaum zu rütteln. Das kann man nur hochschätzen.



 Bildnachweis: Frank Bloedhorn

Meet the Musicians
Frank Bloedhorn, Trompete

Der Trompeter Frank Bloedhorn stellt sich vor und erzählt von der Asien-Tournee 2017.

Zeitzeugnisse
KINDERSCHREIBEN ANS ORCHESTER 3
jugend@staatsoper.de.
Mit freundlicher Unterstützung der Freunde und Förderer der 
Musikalischen Akademie des Bayerischen Staatsorchesters 
München e.V.

für SchülerInnen der 3. und 4. Klasse

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MUSIKALISCHE AKADEMIE – DACAPO


DACAPO ist das Musikvermittlungsprojekt der Musikalischen Akademie des Bayerischen Staatsorchesters e. V. Es wurde von Musiker:innen des Orchesters für eine 3. und eine 4. Klasse an Grundschulen im Münchner Umkreis entwickelt. Innerhalb weniger Wochen besuchen Musiker:innen die ausgewählten Klassen der Schule. In Workshops stellen sie ihre Instrumente und ihren Beruf vor. Den Abschluss bildet nach Möglichkeit ein Konzert für alle Schüler:innen in der Schule. DACAPO verbindet damit die Begegnung mit KünstlerInnen sowie das Kennenlernen und Ausprobieren von Orchesterinstrumenten in den Workshops mit dem Erleben einer Konzertsituation.

Die Bewerbung für das Projekt DACAPO erfolgt über das Schulprogramm der Bayerischen Staatsoper an jugend@staatsoper.de.
Mit freundlicher Unterstützung der Freunde und Förderer der 
Musikalischen Akademie des Bayerischen Staatsorchesters 
München e.V.

für SchülerInnen der 3. und 4. Klasse

Programm
Un:erhört II – 2. Kammerkonzert der Hermann-Levi-Akademie

Die Hermann-Levi-Akademie fördert begabte Nachwuchsmusiker:innen, indem sie ihnen Orchesterpraxis unter professionellen Bedingungen ermöglicht – vor allem in der Opernliteratur mit ihren spezifischen Anforderungen, aber auch im symphonischen Bereich.

Die Hermann-Levi-Akademie des Bayerischen Staatsorchesters wurde 2002 unter dem Namen Orchesterakademie des Bayerischen Staatsorchesters gegründet, um die jahrhundertealte Tradition eines der ältesten deutschen Orchester an junge Musiker:innen weiterzugeben und auf diese Weise die besondere Klangvorstellung und Spielkultur für nachfolgende Generationen lebendig zu halten. Seit Juli 2021 trägt die Orchesterakademie den Namen „Hermann-Levi-Akademie“, um Hermann Levis Bedeutung für die Musik und insbesondere seinem zukunftsweisenden Schaffen am Nationaltheater München Rechnung zu tragen.

Am 12. Juni ist die Hermann-Levi-Akademie in der Alten Pinakothek mit einem vielfältigen Programm zu erleben. Eine Sonata da chiesa des Barock-Komponisten Arcangelo Corelli sowie das Klavierquintett h-Moll von Johannes Brahms werden ebenso zu Gehört gebracht wie die Variationen über das Lied Greensleeves für Kontrabass solo des vor zehn Jahren verstorbenen Knut Guettler und Auszüge aus der Sonate für Violoncello solo von György Sándor Ligeti.



Bildnachweis: Frank Bloedhorn

Meet the Musicians
Heike Steinbrecher, Oboe

Wenn Heike Steinbrecher nicht gerade Musik macht, beschäftigt sie sich mit ihrem jungen Hund und genießt die gemeinsamen Spaziergänge durch Wald und Natur. Sie würde gerne in Nord-Griechenland leben und sich die dortige Sprache aneignen, um Land und Leute noch besser kennenlernen zu können.



Bildnachweis: Wilfried Hösl

Zeitzeugnisse
Carl Maria von Weber: Abu Hassan
https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=22630453

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Auch vom Pionier der deutschsprachigen Oper Carl Maria von Weber, dessen Freischütz sich bis heute besonderer Beliebtheit erfreut, wurde in München eine Oper uraufgeführt. Das Libretto für das Singspiel in einem Akt Abu Hassan stammt von Franz Karl Hiemer und geht auf eine Geschichte aus Tausendundeine Nacht zurück. Weber war Privatsekretär des verschuldeten und als korrupt geltenden württembergischen Herzogs Ludwig, als er zusammen mit dem Stuttgarter Theaterdichter Hiemer die Bearbeitung einer Schuldengeschichte plante. Die Premiere erfolgte allerdings erst während Webers Aufenthalt in München, genauer: am 4. Juni 1811 ging die erste Vorstellung der Oper am damaligen Münchner Hoftheater über die Bühne. In den Folgejahren erfreute sich das Werk großer Beliebtheit und fand unter anderem auf die Bühnen von Stuttgart, Frankfurt am Main, Wien, Berlin, Dresden, Prag, Kopenhagen und London. Als die gängige Kombination aus kürzeren Schauspielen mit Operneinaktern jedoch langsam verschwand, wurden auch die Aufführungen von Abu Hassan immer spärlicher. Dennoch gab es im 20. Jahrhundert Einstudierungen beispielsweise durch Bruno Walter in Berlin, Felix Mottl in München sowie durch Richard Strauss in Wien.



Bildnachweis: Von Caroline Bardua – 1. umnofil.ru2. GalleriX, Gemeinfrei, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=22630453

Eindrücke
6. Akademiekonzert 2022/23 (Jurowski)

Am 22. und 23. Mai dirigierte Vladimir Jurowski das Bayerische Staatsorchester beim 6. Akademiekonzert mit Musik von Ralph Vaughan Williams, Robert Schumann und Gustav Mahler. Gerhard Oppitz war der Solist bei Schumanns Klavierkonzert a-Moll, und Louise Alder übernahm den Gesangspart in Mahlers Symphonie Nr. 4.


Bildnachweis: Wilfried Hösl

Eindrücke
Aida

Am 15. Mai feierte die neue Produktion von Giuseppe Verdis Aida Premiere. Daniele Rustioni dirigierte das Bayerische Staatsorchester, Regie führte Damiano Michieletto. In der Titelpartie war Elena Stikhina zu erleben.



Bildnachweis: Wilfried Hösl

Lesestücke
Über Passion sprechen

Transformationsarbeit mit Orchestern



Von Heiko Roehl


ORCHESTER ALS BESONDERE ORGANISATIONEN

Organisationen finden immer wieder neue Wege, um mit Herausforderungen aus Gesellschaft, Politik und Wirtschaft umzugehen. Sie passen sich an, verändern sich und erfinden sich manchmal sogar neu. Organisationaler Wandel gelingt aber nicht voraussetzungslos. Er hat mit den Menschen zu tun, mit Kulturen und mit einer Kommunikation, die den Wandel für die Menschen plausibel und nachvollziehbar macht.

Orchester bilden da keine Ausnahme. Und doch sind sie als Kulturbetriebe Organisationen, für die gesellschaftliche Rahmenbedingungen eine besondere Bedeutung haben, vor allem, weil Rolle und Stellenwert von Oper und Konzert in der Gesellschaft in stetem Wandel begriffen sind. Außerdem haben sich die Rahmenbedingungen für Auftritte und Tourneen in der Pandemie drastisch verändert. Auch die Ökonomisierung kulturellen Schaffens setzt sich fort, was dazu führt, dass Kostenbewusstsein im Kulturbetrieb vielerorts zum Leitmotiv wird. Und nicht zuletzt spiegelt sich der gesellschaftliche Wertewandel in veränderten Motivationslagen und Erwartungen einer jüngeren Künstlergeneration, in ihrem wachsenden Bewusstsein für die Bedeutung einer Balance zwischen Leben und Arbeiten. Innerhalb der Organisation Orchester entfalten all diese Veränderungen vielfältige Wirkungen. Eine davon ist, dass die Ansprüche an gute Arbeitsbedingungen, positive Zusammenarbeit und Mitgestaltung im Orchesterbetrieb steigen.

 

ZUSAMMENARBEIT AUF DEM PRÜFSTAND

Krisenhafte Entwicklungen stellen das soziale Gefüge Orchester immer wieder auf den Prüfstand. In der Corona-Pandemie etwa war die Abstimmung von Maßnahmen in vielen Häusern von Konflikten begleitet. Das Zusammenspiel von Verwaltung, Geschäftsführung, Gremien und Künstler:innen wird also anspruchsvoller und die Notwendigkeit dringender, einen übergreifenden Dialog zu gestalten, der einen angemessenen gemeinsamen Umgang mit solchen Widrigkeiten erlaubt.

Das Orchester als Organisation stellt hier allerdings einen besonderen Fall dar. Das kritische Gespräch über die Rahmenbedingungen der Arbeit und die eigenen Anliegen und Erwartungen mit dem Ziel einer gemeinsamen Aushandlung konfliktärer Fragestellungen gehört nämlich nicht unbedingt zum Standardrepertoire von Orchestern. Die Klärung vieler Fragen wurde vornehmlich Verwaltung, Geschäftsführung und Gremien überlassen. Um mit krisenhaften Entwicklungen umzugehen, wird es zukünftig aber viel stärker um eine angemessene Beteiligung der Orchester an solchen Entscheidungen gehen. Der kritische Punkt dabei ist, dass die Schaffung von Dialogfähigkeit so zum wichtigsten Erfolgsfaktor für die Transformationsarbeit mit Orchestern wird. Mit anderen Worten: Um Zusammenarbeit und Kultur im Orchester zu verbessern, kommt man nicht umhin, wahrhaftige Gespräche zu führen.

 

KUNST ALS KOMMUNIKATION

Die Festlegung gemeinsamer Ziele und guter Spielregeln der Zusammenarbeit, erfolgreiche Konfliktlösungen und klare Rückmeldungen zwischen Akteur:innen sind nur möglich, wenn man ins Gespräch kommt. Mehr noch: In der Transformationsarbeit hängt vieles sogar davon ab, ob es gelingt, über Kommunikation zu kommunizieren. Orchester hingegen kommunizieren nonverbal. Ihre musikalische Kunst basiert auf einem feinen Gespinst nonverbaler Interaktion zwischen ihren Mitgliedern. Einsätze werden über Bewegungen signalisiert, Rückmeldungen im Kollegium erfolgen oft ohne Worte. Die Qualität des künstlerischen Ausdrucks hat wenig mit expliziter Versprachlichung zu tun. Im Gegenteil: „Viele von uns sind ja Musiker geworden, weil wir nicht so gern sprechen“, teilte mir eine Geigerin einmal mit.

 

LEIDENSCHAFTSORGANISATION ORCHESTER

Orchestermusiker:in zu sein ist viel mehr Berufung als Beruf. Künstlerisches Schaffen verlangt nach Ausdruck. Deshalb ist Musiker:in zu sein auch kein Job, sondern ein untrennbar mit der Identität der Person verbundenes Selbstverständnis als schöpferischer Mensch. Jede Interpretation eines Werks offenbart so immer auch einen Teil der Identität einer Künstlerin oder eines Künstlers. Guten Orchestern gelingt es, ein Kollektiv der Leidenschaft zu gestalten.

Das macht Transformationsarbeit mit Orchestern auf besondere Weise voraussetzungsvoll. Einerseits gilt es, gemeinsam die Bedingungen dafür zu verbessern, diese kollektive künstlerische Leidenschaft gedeihen zu lassen. Das betrifft den physischen Raum (Arbeitszeit, Temperatur, Licht, Lärmschutz u. a.) ebenso wie den zwischenmenschlichen (Beziehungen, Konflikte, sozialer Stress) und den psychologischen (Rollen, Haltung, Empfindsamkeit). Weil aber ein Großteil der Impulse und Inspirationen zu Veränderungsthemen vom Orchester selbst kommen muss, ist die Veränderungsarbeit auch immer wieder auf die oben erwähnte, ungewohnte Versprachlichung eigener Erwartungen angewiesen.

 

DIALOGRÄUME SCHAFFEN

Transformationsarbeit mit Orchestern beginnt beim Orchester selbst. Es gilt, einen sicheren Raum zu schaffen, in dem die eigenen Erwartungen an Zusammenarbeit, Kommunikation und Kultur versprachlicht werden können. So wird verhindert, dass aus künstlerischer Empfindsamkeit (als Aspekt künstlerischen Selbstverständnisses) auf dem Weg zur Veränderung nicht Empfindlichkeit (als Ergebnis erlebter Beeinträchtigung) wird oder wichtige fachliche Rückmeldungen als Kritik an Person und Persönlichkeit verstanden werden. Über diese Spezifika hinaus behalten viele der guten Praktiken des Veränderungshandwerks wohl auch für die Transformationsarbeit mit Orchestern ihre Gültigkeit. Angefangen bei der gemeinsamen Entwicklung von Zukunftsbildern über die Beteiligung der Betroffenen bis hin zum Einbezug kultureller Muster in die Veränderungsarbeit sollten diese Leitsterne auch Orchestern ausreichend Orientierung bei ihrer Reise in eine selbstbestimmte und selbstgestaltete Zukunft bieten.



Bildnachweis: Frank Bloedhorn

Eindrücke
Il ritorno / Das Jahr des magischen Denkens

Am 7. Mai feierte im Rahmen des Ja, Mai-Festivals die Produktion Il ritorno / Das Jahr des magischen Denkens Premiere. Christopher Moulds dirigierte die Monteverdi-Oper, die mit einem Schauspiel von Joan Didion kombiniert wurde. Regie führte Christopher Rüping.



Bildnachweis: Wilfried Hösl

Eindrücke
5. Akademiekonzert 2022/23 (Jindra)

Am 17. und 18. April dirigierte Robert Jindra das Bayerische Staatsorchester beim 5. Akademiekonzert. Während des Mozart-Programms stand auch Hanna-Elisabeth Müller für die Konzertarie „Bella mia fiamma“ – „Resta, o cara“ auf der Bühne.



Bildnachweis: Wilfried Hösl

Meet the Musicians
Moritz Winker, Fagott (Solo)

Moritz Winker wäre Pilot geworden, wenn er einen anderen Karriereweg eingeschlagen hätte. Nun ist sein Lieblingsplatz in der Oper außerhalb des Orchestergrabens beim Inspizienten: „Was die jeden Abend leisten, ist einfach genial!“. Der Film, der ihn immer wieder lauthals zum Lachen bringt ist Willkommen bei den Sch’tis.



Bildnachweis: Wilfried Hösl

Eindrücke
Das Bayerische Staatsorchester zu Gast in der Isarphilharmonie (Jurowski)

Das Bayerische Staatsorchester war am 25. März zusammen mit seinem Generalmusikdirektor Vladimir Jurowski zu Gast in der Isarphilharmonie. Für Alban Bergs Violinkonzert Dem Andenken eines Engels gesellte sich Renaud Capuçon auf die Bühne, bevor Anton Bruckners Symphonie Nr. 4 erklang.



Bildnachweis: Wilfried Hösl

Lesestücke
Felix Weingartner: Malawika

„‚Modern‘ sein heißt eingestehen, daß man in kurzer Zeit nicht mehr modern sein wird.“ – Dieser Ausspruch stammt aus dem 1918 erschienen Text Modernität, dessen Autor Felix Weingartner sich gegen eine lineare und durch neue Formen und Ausdrucksweisen ständig überbietende Entwicklung der Musikgeschichte aussprach. So bezeichnete er sich in seinen Lebensaufzeichnungen mal selbstironisch als „Wagnerianer“ und „Lisztianer“ und proklamierte an anderer Stelle die paradoxe Stoßrichtung „vorwärts zu Mozart!“. Weingartner, dessen Todestag sich am 7. Mai 2022 das 80. Mal jährte, vollendete 10 Opern, 7 Symphonien, etliche Lieder sowie Kammermusik und beteiligte sich mit zahlreichen Büchern und Aufsätzen am musikästhetischen- wie theoretischen und aufführungspraktischen Diskurs seiner Zeit. Sein Erfolg begründete sich auf seiner Tätigkeit als Dirigent. So hält sich Gustav Mahler in seinen Briefen an den „liebsten Freund“, wie er Weingartner meistens adressierte, mit Lob nicht zurück: „Ich wüßte Niemanden, dem ich mit solcher Zuversicht und frohem Muthe mein Werk übergeben würde, als Ihnen.“ Weingartner folgte Mahler als Operndirektor der Wiener Hofoper, nachdem er zuvor bereits Kapellmeister mehrerer Opernhäuser sowie Chefdirigent des Münchner Kaim-Orchesters – der heutigen Münchner Philharmoniker – gewesen war. Während seiner 19-jährigen Zusammenarbeit mit den Wiener Philharmonikern leistete Weingartner einen entscheidenden Beitrag zu deren Weltruhm. Als Abonnementdirigent leitete er sämtliche Konzerte, darunter den ersten Beethoven-Zyklus 1918 sowie die erste Südamerika-Tour 1922 in der Geschichte des Orchesters. Seine Oper Malawika, eine „Komödie in drei Aufzügen“ wurde am 3. Juni 1886 im Münchner Nationaltheater uraufgeführt, als der Komponist gerade 23 Jahre alt war. Das Libretto verfasste er selbst nach einem Drama des indischen Dichters Kalidasa.


Bildnachweis: Archiv Bayerische Staatsoper

Lesestücke
Macht der Musik: die Fronleichnamsprozession und das Wetter
Mus.pr. 124#Beibd.6

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von Thomas Herbst


Die positiven Auswirkungen von Musik auf Menschen ist schon oft erforscht und beschrieben worden. Langsame, leise Musik senkt den Puls und reduziert Stresshormone, und angeblich soll sich Mozarts Musik positiv auf die geistige Entwicklung von Säuglingen auswirken – wobei das bislang noch nicht wissenschaftlich belegt werden konnte. Durch einen Augenzeugenbericht belegt ist allerdings, dass eine Motette von Orlando di Lasso bei der Fronleichnamsprozession des Jahres 1584 sogar Regen und Sturm besänftigt hat – wobei wir Kausalzusammenhänge für diese meteorologische Macht der Musik hier außer acht lassen wollen …

Am frühen Morgen des 31. Mai 1584 waren über München starke Gewitter niedergegangen; auf dem Weg zu St. Peter, wo nach der heiligen Messe die Prozession beginnen sollte, hatten die Mitwirkenden schon in Häusern und Kirchen vor dem Regen Schutz suchen müssen. Beim Gottesdienst gingen daher alle davon aus, Herzog Wilhelm V. werde den sich anschließenden Umgang um die Stadt auf einen schöneren Tag verschieben. Doch der Herzog wartete noch ab. Hören wir, was der für den tadellosen Ablauf des Tages verantwortliche Lizenziat Ludwig Müller darüber schreibt:

„Während ich nun mit meinen Mitkommissaren jedermann an seinen Platz stellte, sah es aus, als ob es jeden Augenblick einen großen Platzregen geben würde und es fing auch etliche Mal an zu tröpfeln. Als nun alles in der gehörigen Ordnung war, ging ich wieder zum Herzog in die Kirche hinein, meldete, daß alles bereit sei und schlug gehorsamst vor, der Herzog möge das Sakrament bis zur Kirchentür tragen lassen und dort solange warten lassen, bis die Geistlichkeit mit ihren Kreuzen und Fahnen und die Bruderschaften alle daran vorbeigezogen wären. Währenddessen war der Himmel ganz schwarz und trübe, aber sobald das hochwürdige Sakrament durch die Kirchentür hinausgetragen wurde und Herr Orlando die Motette „Gustate et videte“ zu singen anfangen ließ, so begann die Sonne so an den Turm von St. Peter zu scheinen, daß ich vor lauter Freude meinen Platz im Zug verließ, zum Herzog ging und ihm zeigte, wie die Sonne auf die Türen schien, und zu ihm sagte: „Gustate et videte quam suavis sit Dominus timentibus eum et confidentibus ei“ (Luther übersetzt Psalm 34,9 folgendermaßen: „Schmecket und sehet, wie freundlich der HERR ist denen, die Ihn fürchten und Ihm vertrauen“), welches Ihre fürstliche Durchlaucht mit Freuden anhörte und gnädigst darauf antwortete: ‚Freilich, freilich!‘“

Nun setzte sich also der ganze Zug in Bewegung: voran die Zünfte und Bruderschaften samt ihren Wagen mit über 50 erbaulichen lebenden Bildern aus Geschichten des Alten und Neuen Testaments, die beispielsweise die Erschaffung von Himmel und Erde, Adam und Eva, Kain und Abel zeigten. Hierauf folgte die Geistlichkeit, dann die fürstlichen Trompeter und Pauker sowie die Instrumentalisten und die Hofkantorei; das Heilige Sakrament schließlich wurde der herzoglichen Familie vorangetragen. Von St. Peter (das abwechselnd mit der Frauenkirche den Ausgangspunkt bildete) ging der Zug zum Marienplatz, dann durch die Schwabinger Gasse (Residenzstr.) zum Schwabinger Tor (Odeonsplatz) und einmal um die ganze Stadt herum. Für Ordnung sorgten 1800 Bewaffnete, die in den Gassen Spalier standen. 100 Bürger in prächtiger Rüstung bildeten zusammen mit den Trommlern der Stadt den Schluss des Zuges. Letztere hatten die Anweisung, ununterbrochen zu spielen – jedoch nicht zu laut, damit man weiter vorne die Instrumentalisten und die Kantorei gut hören konnte. Im Jahr 1584 hielt das Wetter: bei strahlendem Sonnenschein, wenn auch mit einem kühlen Wind, wurde der Umgang beendet. Erst als jedermann wohlbehalten zuhause angelangt war, brach ein furchtbarer Platzregen los. Nicht immer jedoch hatten die Teilnehmer so viel Glück. 1716 – Kurfürst Max Emanuel war im Jahr zuvor nach München zurückgekehrt und wollte nach jahrelangem Exil wieder eine Fronleichnamsprozession in seiner Heimatstadt feiern – regnete es so stark, dass der Zug bereits am Marienplatz umkehren musste.

Das bis heute am Donnerstag in der Woche nach Pfingsten stattfindende Fest wurde 1264 von Papst Urban IV. für die gesamte römische Kirche verbindlich gemacht und wahrscheinlich seit 1343 in München mit einer Prozession begangen – wobei der Aufwand dafür im Laufe der Zeit immer weiter anstieg. In die Vorbereitungen waren Ende des 16. Jahrhunderts nicht nur die Bürger der Stadt, sondern mit dem gesamten Hof auch die Musiker der Hofkapelle eingebunden, einige ihrer Aufgaben erfahren wir wiederum von Ludwig Müller: Trompeter Cesare Bendinelli unterrichtete bereits ein Jahr im Voraus vier Knaben aus der Münchner Bürgerschaft, die auf dem Wagen der Goldschmiede die vier Engel beim Jüngsten Gericht darstellen sollten; Kapellmeister Orlando di Lasso besprach mit dem Obersten Trompeter Fileno Cornazzani, wie die Instrumentalisten zu verteilen waren und was sie für Stücke spielen sollten. Für den Wagen der Metzgerzunft hatte Cornazzani ein Stück komponiert, das von Schülern auswendig gelernt werden musste, dazu tanzten die Darsteller dann um das goldene Kalb. Bei den Balbierern spielte man auf „Tannbarin, pfeiffen, Dulcin, Driangl, geigl, peukhl, lautten, Quintern vnnd Zittern oder Pusaunen“ eine „antiqua Musica Hebreorum“, ein Harfenist tanzte als König David vor der Arche, es wurden etliche Knaben gebraucht, die „Instrument (Orgel), geigen, lautten, pusaunen, Zincken vnnd anndern instrumenten“ spielen konnten, und natürlich wurde auch viel gesungen: unter anderem ein „besonnder Gesanng de Natiuitate Ch[risti] von Hern Orlando“ di Lasso, also eigentlich ein für Weihnachten komponiertes Stück.

Die Beteiligung der Instrumentalisten der Hofmusik nahm allerdings im 19. Jahrhundert stark ab, in dessen 90er-Jahren nur noch einige Trompeter und Pauker des nunmehr so genannten königlich bayerischen Hoforchesters bei der Prozession mitliefen, wie die erhaltenen Abrechnungen belegen.


Bildnachweis: DI ORLANDO DI LASSVS il primo libro de motetti a cinque & a sei voci. Standort: München, Bayerische Staatsbibliothek -- 4 Mus.pr. 124#Beibd.6

Ensembles
Munich Opera Horns

„Die Horngruppe ist für mich ein Grundpfeiler, vielleicht sogar das Herzstück des Bayerischen Staatsorchesters.“ (Kirill Petrenko)

Die zehn Musikerinnen und Musiker der Horngruppe des Bayerischen Staatsorchesters nennen sich als eigenständiges Ensemble Munich Opera Horns. Schon ihr Klangspektrum verortet die Stimmgruppe als Mittelpunkt im Orchester. Ein Klang, der weniger grell ist als die höheren Blechbläser und weniger massiv als die Tuben. Ein Klang, der wie ein Kitt funktioniert, in der Mitte warm in alle Richtungen ausstrahlend. Ein Klang, der aber auch kernig zupacken kann, der ein Drama erzeugen kann, wenn es denn verlangt ist. Der die Oberfläche des Orchesterklangs von innen aufbrechen kann und dann schließlich alle wieder zusammenführt.

Von diesem Mittelpunkt aus agieren die Munich Opera Horns auch als Ensemble. 2007 haben sie sich gegründet, die Besetzung wechselte mit den jeweiligen Mitgliedern der Stimmgruppe, das Ziel bleibt bis in die aktuelle Besetzung gleich: Johannes Dengler, Pascal Deuber, Franz Draxinger, Milena Viotti, Éva Fröschl, Wolfram Sirotek, Maximilian Hochwimmer, Christian Loferer, Stefan Böhning und Casey Rippon beleben die Tradition ihres Instruments. Und entwickeln jenseits der Opern-Routine neue, gleichberechtigte Formen im Spiel. Können hier ihre starke und ganz individuelle Spielkultur als Kammermusikerinnen und -musiker leben.

Auf vier Tonträgern ist die Gruppe mittlerweile zu hören. Ihr Debütalbum „Fan Faire“ gab diesen Weg 2013 exemplarisch vor: Arrangements klassischer Stücke für ein Hornensemble trafen auf Werke aus der Operntradition und der Moderne. Dazu: Eine Auftragskomposition von Miroslav Srnka, der mit „Fan Faire“ den einzigartigen Klang der Gruppe in ein Stück Musik goss.

 

„Mit zu den schönsten und denkwürdigsten Erlebnissen in meiner Dirigentenlaufbahn gehört die Begegnung mit dem Hörnerklang aus dem Bayerischen Staatsorchester. Diese Sicherheit in der Intonation, diese Sauberkeit und Klarheit in den Harmonien, diese Homogenität der Schwingungen, dieses weitgespannte Artikulationsspektrum, diese Kraft, dieses Geheimnisvolle, dieser verwunschene Zauber!“ (Kent Nagano)

 

Im Jubiläumsjahr des Bayerischen Staatsorchesters geht das Ensemble noch einen Schritt weiter. Während das Orchester sein 500-jähriges Bestehen feiert und die Horntradition in diesem Orchester immerhin auch schon bis 1706 zurückreicht, als die ersten Hornisten von Kurfürst Max Emanuel III. fest an der Bayerischen Hofkapelle angestellt wurden, blicken die Munich Opera Horns als Ensemble nun auf eine eigene, 15 Jahre dauernde Tradition zurück. Und der begegnen die Musikerinnen und Musiker, in dem sie sich einem Repertoire widmen, das sich aus der Geschichte des eigenen Instruments speist.

Ein Orchesterinstrument war das Horn lange nicht. Sondern am Anfang als Alphorn erst einmal eines, das in seiner Bauart und in seinem Klang tief mit der Landschaft und seiner Funktion in dieser Landschaft verwurzelt war. Wenn die Munich Opera Horns nun solche traditionellen Klänge, fern der Theater- und Orchesterwelt, mit aufnehmen, führen sie ihre Hörerinnen und Hörer zu den Wurzeln dieses so besonderen Orchesterinstruments. Und mit der aktuellen Auftragskomposition, dem den Munich Opera Horns gewidmeten Voyager 2 von Konstantia Gourzi, blickt die Musik von der Gegenwart in eine mögliche Zukunft. Außerdem hat die Gruppe mit dem ensembleeigenen Arrangeur Pascal Deuber, seit 2019 Solo-Hornist im Staatsorchester, jemanden, der ihr gewitzte und klangschöne Arrangements, etwa von Richard Strauss’ Hornkonzert Nr. 2 oder dessen Daphne für Horn-Oktett, auf den klanglichen Leib schneidert. Die Tradition dieses Instruments wird hier auf vielen Ebenen gelebt. Auf ganz ursprünglichem wie dem Alphorn. Auf der klassischen, auf der neu komponierten oder neu arrangierten. Das stärkt. Denn die Tradition ist immer dann besonders eindrücklich, wenn sie auch anderes kennt als sich selbst. Dann wird sie exzellent. Erst dann wird sie gegenwärtig.
Rita Argauer

„Während der acht Jahre, die ich als Generalmusikdirektor an der Bayerischen Staatsoper tätig war, habe ich die wunderbare Horngruppe des Bayerischen Staatsorchesters immer wieder bewundert.“ (Zubin Mehta)

Programm
6. Kammerkonzert 2022/23 (Ein Hörnerfest)

Am 14. Mai spielen die Munich Opera Horns ein vielseitiges Programm mit Musik aus den letzten fünf Jahrhunderten für Horn. Ludwig Senfl, mit dessen Festanstellung 1523 durch Herzog Wilhelm IV. in München sich die Geschichte des Bayerischen Staatsorchesters ansetzen lässt, ist dabei ebenso vertreten wie sein Nachfolger Orlando di Lasso. Originalkompositionen für Horn von Anton Reicha und dem vielleicht berühmtesten Hornisten aus der langen Tradition des Bayerischen Staatsorchesters Franz Strauss stehen neben Bearbeitungen für das Instrument – beispielsweise erklingt auch die Ballettmusik aus Mozarts Oper Idomeneo.

Programm
6. Akademiekonzert 2022/23 (Jurowski)
https://androom.home.xs4all.nl/biography/a002056.htm

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Das Programm des 6. Akademiekonzerts, geleitet vom Generalmusikdirektor des Bayerischen Staatsorchesters Vladimir Jurowski, wird eröffnet mit einer auf dem Kontinent selten zu hörenden englischen Rarität, Ralph Vaughan Williams’ Fantasie über ein Thema von Thomas Tallis: ein kostbares Stück, das Erinnerung und Gegenwart auf berückende Weise miteinander verschmilzt – präsentiert von den Streichern des Staatsorchesters. Im weiteren Verlauf sind gleich zwei Solisten zu erwarten: Gerhard Oppitz übernimmt den Solopart in Robert Schumanns Klavierkonzert, das Schumann ursprünglich für seine Frau Clara komponierte, die bei der Uraufführung auch den Klavierpart übernahm. Für Gustav Mahlers vierte Symphonie gesellt sich die Sopranistin Louise Alder zum Orchester.


Bildnachweis: Franz von Lenbach: Clara Schumann. https://androom.home.xs4all.nl/biography/a002056.htm

Meet the Musicians
Anna-Maija Hirvonen, 2. Violine

Anna-Maija Hirvonen beschäftigt sich in ihrer Freizeit mit Themen rund um Philosophie, Psychologie, Mystik und Spiritualität. Urlaub macht sie besonders gerne im peruanischen Amazonasgebiet. Dort durfte sie schon viele Entdeckungen bezüglich der größten Fragen des Menschseins machen.


Bildnachweis: Wilfried Hösl

Eindrücke
Feste feiern! Tuba-Trio: Eine Tuba kommt selten allein

Am 29. April spielten Stefan Ambrosius, Steffen Schmid und Simon Unseld bei der Veranstaltung „Tube-Trio: Eine Tuba kommt selten allein“ im KulturBunt Neuperlach im Rahmen der Veranstaltungsreihe „Feste feiern!“.

Lesestücke
Herzensbildung für Jung und Alt

Das Bayerische Staatsorchester:
Im Bereich der Bildungsarbeit seit Jahrzehnten in der ersten Liga.


von Christian Geltinger


Die Geschichte des Bayerischen Staatsorchesters liest sich wie der Prozess einer kontinuierlichen Weiterentwicklung. Dieses Selbstverständnis korrespondiert mit dem Geist der Renaissance, in dem vor 500 Jahren mit der Münchner Hofkantorei die Vorläuferin des Bayerischen Staatsorchesters gegründet wurde. Die Orchester, die sich damals aus dem Hoheitsbereich der Kirche lösten, erfuhren eine deutliche Professionalisierung und wurden zum Aushängeschild der Höfe als geistig-kulturelle Zentren einer Stadt. In München vollzog sich dieser Strukturwandel nicht zufällig in einer Zeit, in der die bis dahin auf der bayerischen Landkarte eher unbedeutende spätere Landeshauptstadt an politischem Gewicht gewann. Musik wurde immer mehr zu einem Mittel gesellschaftlicher oder zumindest höfischer Repräsentanz, zu einem Medium, in dem sich eine Gesellschaft widerspiegelt. Im gemeinsamen Vollzug, im Fest, im Konzert, im Musizieren und Zuhören, konstituierte sich Gesellschaft.

Die Bedeutung von Kunst und Musik wird für das Zusammenleben in einer von Krisen und Kriegen verunsicherten, den Gesetzen des Pragmatismus und der Selbstoptimierung unterworfenen Gesellschaft immer wichtiger. Das zeigt sich insbesondere auf dem Gebiet der kulturellen Bildung, die in den letzten Jahrzehnten zunehmend zur Kernaufgabe vieler Opern- und Konzerthäuser geworden ist. Hier dürfen die Bayerische Staatsoper und das Bayerische Staatsorchester, die sich seit etwa zwanzig Jahren diesem Thema verstärkt widmen, als Vorreiter gelten. Auch für den Bereich der musikalischen Bildung steht ein historisches Vorbild Pate, nämlich die Reihe der sogenannten „Musikalischen Akademien“, die das Bayerische Staatsorchester in eigener Verantwortung ausrichtet. Hintergrund ist nicht zuletzt ein wechselseitiger pädagogischer Effekt. Der Oper als bislang höfischer Kunstform stellten die Mitglieder des Hoforchesters das Konzert gegenüber, in dem nun das Orchester im Rampenlicht stehen konnte. Mit der damit einhergehenden Repertoireerweiterung vollzog sich gleichzeitig eine Öffnung für neue Zuschauerschichten. Damit waren die Konzerte der „Musikalischen Akademie“ letztlich auch die ersten Bildungsveranstaltungen des Orchesters. So genießt das Bayerische Staatsorchester bis heute den Ruf als erstklassiges Opern- und Konzertorchester.

Es ist also nur konsequent, wenn sich ATTACCA, das 2007 gegründete Jugendorchester des Bayerischen Staatsorchesters, auf die „Musikalische Akademie“ beruft. Freilich hat sich der Ausbildungscharakter gegenüber den autoritären Erziehungsmethoden des 19. Jahrhunderts deutlich verändert. Musik soll bei allem Anspruch auf Professionalität schließlich auch Freude machen. Der Umgang erfolgt daher auf Augenhöhe, und die Mitglieder des Bayerischen Staatsorchesters fungieren als Coaches für den musikalischen Nachwuchs. Ausgestattet mit den Tipps und Tricks vom Profi agiert ATTACCA bei den Tutti-Proben und Auftritten dann wieder als eigenständiges Orchester. Und diese Auftritte können sich sehen lassen. Das Orchester spielte regelmäßig bei den Open-Air-Konzerten Oper für alle, bei den Erlebniskonzerten der Bayerischen Staatsoper und bei Veranstaltungen der Heinz-Bosl-Stiftung. Es trat mit eigenen Programmen im Prinzregententheater auf und wurde zum Richard-Strauss-Festival nach Garmisch-Partenkirchen eingeladen. Zu Recht erhielt die Nachwuchsarbeit 2011 den ECHO KLASSIK Sonderpreis für das Projekt ATTACCA.

Während sich die Mitglieder von ATTACCA teilweise noch in der Findungsphase befinden – sie sind in einem Alter zwischen 12 und 18 Jahren – ist für die Musiker:innen der Hermann-Levi-Akademie der Weg bereits vorgezeichnet. Sie stehen an der Schwelle zum festen professionellen Engagement und können im Rahmen dieses Akademistenprogramms Erfahrungen in einem Profiorchester sammeln sowie ihre Repertoirekenntnisse erweitern. Das umfangreiche Ausbildungsprogramm, das die Akademist:innen erfahren, beinhaltet auch Aspekte, die zwar elementar sind für den Musikerberuf, aber dennoch lange Zeit unterschätzt wurden, wie etwa die mentale Vorbereitung auf diesen Beruf. Den Namen Hermann-Levi-Akademie erhielt die Akademie, die bereits 2002 gegründet wurde, im Jahr 2021. Damit ehrte das Bayerische Staatsorchester eine Dirigentenpersönlichkeit, die das Haus von 1872 bis 1896 entscheidend prägte. ATTACCA und die Hermann-Levi-Akademie stehen unverkennbar im Zeichen der musikalischen Nachwuchsförderung, um nicht zusagen der Elitenförderung. Das Bayerische Staatsorchester stößt mit seiner Bildungsarbeit jedoch noch in ganz andere Bereiche vor. Denn kulturelle Bildung sollte vor allen Dingen zweckfrei sein. Wer glaubt, man würde durch die Verabreichung sämtlicher Symphonien Mozarts eine Reihe neuer Wunderkinder hervorbringen, oder es würde zumindest eine bessere Mathenote dabei herausspringen, der ist auf dem Holzweg. Das Gleiche gilt für Theaterschaffende, die sich der Illusion hingeben, aus den Programmen für Kinder und Jugendliche ließe sich das Publikum von morgen rekrutieren. Keine Frage, positive Erlebnisse prägen sich ein und bauen eine erste Bindung auf. Der ökonomische Gedanke sollte dabei aber an letzter Stelle stehen.

Gerade in einer Gesellschaft, die immer diverser wird, ist es wichtig, Zugänge in der Breite zu schaffen. Musikalische Talente schlummern nicht nur in Familien, deren Elterngenerationen beispielsweise seit Jahrzehnten im Medizinerorchester spielen oder den Musikerberuf gar professionell ausüben. Daher ist es immer wichtiger, in die Schulen und bestenfalls auch in die Provinz zu gehen, wo man Kinder und Jugendliche aus allen Bildungsschichten erreicht. Das tut auch das Bayerische Staatsorchester. Ohne Berührungsängste verlassen die Musiker:innen ihren Elfenbeinturm. In der persönlichen Begegnung mit Instrumentalist:innen können Kinder und Jugendliche hautnah deren Enthusiasmus für die Musik erleben und erfahren, was es heißt, diesen Beruf professionell auszuüben. Für viele ist das sogar die erste Gelegenheit überhaupt, mit einem Instrument buchstäblich in Berührung zu kommen und sich von der Magie des Klangs anstecken zu lassen. Das Qualitätsbewusstsein, das vollkommen „unbelastete“ Kinder und Jugendliche bei diesen Begegnungen an den Tag legen, ist immer wieder faszinierend.

Und so dürfen sich die jüngsten Konzertbesucher:innen auf Sitzkissen tummeln, während die Musiker:innen von der großen Bühne auf das Garderobenfoyer wechseln und das Frackhemd gegen das bequeme T-Shirt tauschen. Kinder brauchen diesen geschützten Raum, in dem sie spielerisch mit Musik und Theater, mit sich selbst und ihren Gefühlen dabei in Berührung kommen können. Und das gilt für Erwachsene nicht weniger. Konzerte wie Oper für alle zeigen, wie wichtig es ist, mit den Menschen auf Tuchfühlung zu gehen. Kunst vollzieht sich da, wo sich Menschen, egal welchen Alters, begegnen, um sich gemeinsam berühren zu lassen. Alle lauschen derselben Musik, jeder fühlt etwas anderes. So entsteht Austausch. Und damit schließt sich auch der Bogen zu den Anfängen des Staatsorchesters. Die professionelle Pflege und Weitergabe einer jahrhundertealten Kulturpraxis, wie sie das Bayerische Staatsorchester ausübt, ist nicht nur identitätsstiftend für das Selbstverständnis eines Kulturraums, sie ist heute wichtiger denn je für die Herzensbildung einer Gesellschaft.



Bildnachweis: Frank Bloedhorn

Eindrücke
Begegnungen: Ein Sommernachtstraum am 1.4.

Nach der Vorstellung von Ein Sommernachtstraum am 1. April im Nationaltheater fand die fünfte Veranstaltung der Reihe „Begegnungen“ statt. Das Publikum traf dabei in der Rheingoldbar auf Musiker:innen des Bayerischen Staatsorchesters.

Ensembles
Das Praetorius-Quartett

Das Praetorius-Quartett wurde 2012 von Mitgliedern des Bayerischen Staatsorchesters gegründet. Seither erkunden David Schultheiß, Guido Gärtner sowie Adrian Mustea und Yves Savary neben den großen Opernkompositionen im Graben und den symphonischen Werken auf dem Podium des Münchner Nationaltheaters auch das Quartettrepertoire mit großem Erfolg: „Die Musiker bringen die Stimmen zu makelloser Balance und spielen mit höchstem Risiko“ (Michael Stallknecht, SZ).

Eine intensive Konzerttätigkeit, Rundfunkaufnahmen und Engagements bei internationalen Musikfestivals, wie dem Carinthischen Sommer, den Münchner Opernfestspielen und dem Bologna Festival, dokumentieren das hohe künstlerische Niveau des Praetorius-Quartetts.

Eindrücke
4. Kammerkonzert 2022/23 (Musik um Richard Strauss)

Am 12. März fand das 4. Kammerkonzert des Bayerischen Staatsorchesters in der Allerheiligen Hofkirche statt. Markus Wolf, So-Young Kim, Adrian Mustea, Emanuel Graf, Carlos Vera Larrucea und Julian Riem spielten Musik von Richard Strauss, Karl Amadeus Hartmann sowie Hans Pfitzner. Auf den Fotos sind Eindrücke von den Proben zu sehen.

Meet the Musicians
AIDA-TROMPETE

Frank Bloedhorn, Trompeter des Bayerischen Staatsorchesters, über die Aida-Trompeten, die in unserer Neuinszenierung Aida zum Einsatz kommen. Hier erfahrt ihr warum dieses Instrument eine so besondere und lange Geschichte aufweist.

Zeitzeugnisse
Kinderschreiben ans Orchester 1
jugend@staatsoper.de.
Mit freundlicher Unterstützung der Freunde und Förderer der 
Musikalischen Akademie des Bayerischen Staatsorchesters 
München e.V.

für SchülerInnen der 3. und 4. Klasse

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MUSIKALISCHE AKADEMIE – DACAPO



DACAPO ist das Musikvermittlungsprojekt der Musikalischen Akademie des Bayerischen Staatsorchesters e. V. Es wurde von Musiker:innen des Orchesters für eine 3. und eine 4. Klasse an Grundschulen im Münchner Umkreis entwickelt. Innerhalb weniger Wochen besuchen Musiker:innen die ausgewählten Klassen der Schule. In Workshops stellen sie ihre Instrumente und ihren Beruf vor. Den Abschluss bildet nach Möglichkeit ein Konzert für alle Schüler:innen in der Schule. DACAPO verbindet damit die Begegnung mit KünstlerInnen sowie das Kennenlernen und Ausprobieren von Orchesterinstrumenten in den Workshops mit dem Erleben einer Konzertsituation.

Die Bewerbung für das Projekt DACAPO erfolgt über das Schulprogramm der Bayerischen Staatsoper an jugend@staatsoper.de.
Mit freundlicher Unterstützung der Freunde und Förderer der 
Musikalischen Akademie des Bayerischen Staatsorchesters 
München e.V.

für SchülerInnen der 3. und 4. Klasse

Meet the Musicians
Verena Kurz, 2. Violine

Verena Kurz geht in ihrer Freizeit gerne Laufen oder fährt mit dem Rennrad Richtung Berge. Das Beste an ihrem Beruf ist für Verena Kurz alles live zu erleben. Die Abwechslung und Spontanität am Abend und die unbändigen Emotionen auf der Bühne und im Graben machen ihr einfach Spaß.


Bildnachweis: Wilfried Hösl

Zeitzeugnisse
Hans Werner Henze: Elegie für junge Liebende

Hans Werner Henzes Oper in drei Akten Elegie für junge Liebende wurde am 20. Mai 1961 im Schlosstheater Schwetzingen durch das Ensemble der Bayerischen Staatsoper uraufgeführt. Die Oper entstand als Auftragswerk des Süddeutschen Rundfunks für die Schwetzinger Festspiele, wobei sich Henze mit der Vorstellung „von einer psychologisch sehr nuancierten Kammeroper“ an die Librettisten Wystan Hugh Auden und Chester Simon Kallman wandte. Eine deutsche Übersetzung des Librettos wurde von Ludwig Landgraf unter Mitarbeit von Werner Schachteli und dem Komponisten erstellt. Die Handlung ist in den österreichischen Alpen 1910, genauer im Berggasthaus „Schwarzer Adler“, angesiedelt. Im Zentrum stehen die beiden jungen Liebenden Toni Reischmann und Elisabeth Zimmer, deren gemeinsamer tragischer Tod in einem Schneesturm dem eifersüchtigen Dichter Gregor Mittenhofer als Material für sein Gedicht „Elegie für junge Liebende“ dient. Die Musik ist ebenso von einem transparenten und differenzierten Klangbild wie von Reminiszenzen an die italienische Oper und Sprechgesang Schönberg’scher Prägung bestimmt. Die Uraufführung mit Dietrich Fischer-Dieskau als Mittenhofer und Heinrich Bender als Dirigenten in der Ausstattung von Helmut Jürgens wurde als Henzes „Durchbruch zu einer eigenen musikalischen Sprache“ gerühmt.


Bildnachweis: Archiv Bayerische Staatsoper

Meet the Musicians
Markus Kern, 2. Violine

Markus Kern fährt in seiner Freizeit gern Boot, und seine Lieblingsmusikerin ist Jessy Norman. Wenn er nicht Musiker geworden wäre, würde Markus Kern heute bei der Kriminalpolizei arbeiten.


Bildnachweis: Wilfried Hösl

Zeitzeugnisse
Thomas Mann an Hans Pfitzner

München den 19. V. 17.
Poschingerstr. 1.


Verehrter Herr Professor:

Gestern Abend beendete ich die Lektüre Ihres „Palestrina“ und danke Ihnen von Herzen, daß Sie mir den Vorzug gewährten, das Buch vor der Aufführung kennen zu lernen, – der Aufführung, der ich nun mit ganz anderer Freude und feierlicher Spannung entgegensehe, als vordem. Sie wird ja eine Apotheose der Musik selbst, nichts Geringeres, bedeuten, – schon die Dichtung ist das, und zugleich ist sie, wie Nietzsche über den Parsifal-Text schrieb, „eine höchste Herausforderung der Musik“, eine höchste Herausforderung aber auch an die eigene Meisterschaft. Welches kühne, ja überschwengliche Bewußtsein Ihres Könnens muß in Ihnen lebendig gewesen sein, als Sie sich diesen „Text“ dichteten! Man kann nicht höher greifen, als mit ihm, aber, merkwürdig, zugleich ist er es, der mir die zweifellose Zuversicht einflößt, daß wir am 12. Juni den Kranz in Ihrer Hand sehen werden.

Verzeihen Sie, daß ich von Zuversicht rede, wo ich von Dankbarkeit für schon Empfangenes reden sollte. Aber ein szenisch-sprachlicher Plan wie dieser ist ja nichts Vollkommenes, nichts, was man anschauen dürfte, wie man selbstgenügsame Sprachgebilde anzuschauen gewohnt ist. Von einem solchen Standpunkt aus gesehen finden sich unleugbar Härten, Cruditäten, scheinbare Dilettantismen darin, die aber im Hinblick auf die Musik höchst wahrscheinlich ihre Rechtfertigung in sich selber tragen, philosophische Trockenheiten, die dichterisch nicht „aufgenommen“ sind, wie „Einzelexistenz“ u. dergl. m. . Das Bezeichnende aber ist, daß das Sprachliche immer nur an solchen Stellen unzulänglich wirkt, wo man versucht ist, es absolut, als direktes dichterisches Mittel zu nehmen, – niemals dort, wo die Worte nicht sowohl für die Musik geschrieben, als vielmehr aus der Musik geboren und eigentlich selbst schon Musik sind, wie in der herrlichen sechsten Szene des ersten Aktes, – diese glorreiche Seite 33 des Textes, die wenigstens ich nicht ohne ein schwellendes Gefühl musikalischen Glückes zu lesen vermag.

Sie vermieden den Namen des Drama’s auf dem Titelblatt, und wirklich kann von einer Handlung im gewöhnlichen Sinn, von Verwicklung, Spannung, Lösung oder Katastrophe ja nicht die Rede sein. Als Gebilde musikalischen Ursprungs und musikalischer Bestimmung wirkt die Dichtung trotzdem höchst dramatisch: die bunte und groteske Realität des II. Aufzuges steht prachtvoll zwischen der seraphischen Metaphysik des I. und der hohen Milde des Ausganges. Und wie kommt es, daß der Held, ohne daß er sich in einer eigentlich dramatischen Handlung zu bewähren hätte, dennoch so vollkommen tragisch wirkt? Das ist die Wirkung unmittelbarster Lyrik.

Geistig sind Sie ganz in dem Werk enthalten, mit Ihrem hohen Konservativismus, Ihrer Kunstfrömmigkeit, Ihrer echtbürtigen Deutschheit. Walter sprach mir mit ehrlichstem Respekt von der reifen Meisterschaft, die Sie in dem musikalischen „Teil“ des Werkes entfaltet haben, und die nur bei den höchsten musikalischen Würdenträgern der Vorzeit ihresgleichen habe. Ich glaube es ihm aufs Wort; denn eben diese Meisterschaft liegt als selbstverständliche Forderung in der Dichtung beschlossen … Übrigens sehe ich recht wohl die Fäden, die von diesem Werk zu Ihrer Streitschrift gegen jene italienischen Albernheiten laufen. „Weil doch aus großer Meister Zeit das wohlerfundne Alte – etc.“

Für heute nichts weiter – als nochmals meinen Dank. Brauchen Sie das Buch? Oder geht es an, daß ich es noch etwas behalte? Ferner: würden Sie, bei dem schönen Wetter, das der Entfernung ihren Stachel nimmt, meiner Frau und mir einmal einen Nachmittag oder Abend hier draußen schenken? Seit alle Dinge, die früher höchstens „interessant“ waren, brennend geworden sind, ist, finde ich, das Austauschbedürfnis sehr gewachsen.

Ihr ergebener
Thomas Mann


Bild- und Textnachweis: ÖNB, Musiksammlung F68.Pfitzner.2449/1. Mit freundlicher Genehmigung des S. Fischer Verlags, Frankfurt am Main.

Zeitzeugnisse
Kinderschreiben ans Orchester 2
jugend@staatsoper.de.
Mit freundlicher Unterstützung der Freunde und Förderer der 
Musikalischen Akademie des Bayerischen Staatsorchesters 
München e.V.

für SchülerInnen der 3. und 4. Klasse

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MUSIKALISCHE AKADEMIE – DACAPO



DACAPO ist das Musikvermittlungsprojekt der Musikalischen Akademie des Bayerischen Staatsorchesters e. V. Es wurde von Musiker:innen des Orchesters für eine 3. und eine 4. Klasse an Grundschulen im Münchner Umkreis entwickelt. Innerhalb weniger Wochen besuchen Musiker:innen die ausgewählten Klassen der Schule. In Workshops stellen sie ihre Instrumente und ihren Beruf vor. Den Abschluss bildet nach Möglichkeit ein Konzert für alle Schüler:innen in der Schule. DACAPO verbindet damit die Begegnung mit KünstlerInnen sowie das Kennenlernen und Ausprobieren von Orchesterinstrumenten in den Workshops mit dem Erleben einer Konzertsituation.

Die Bewerbung für das Projekt DACAPO erfolgt über das Schulprogramm der Bayerischen Staatsoper an jugend@staatsoper.de.
Mit freundlicher Unterstützung der Freunde und Förderer der 
Musikalischen Akademie des Bayerischen Staatsorchesters 
München e.V.

für SchülerInnen der 3. und 4. Klasse

Programm
Aida
https://www.staatsoper.de/aida/damiano-michieletto

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Der Regisseur Damiano Michieletto inszeniert die Neuproduktion von Giuseppe Verdis Oper Aida an der Bayerischen Staatsoper und spricht darüber in einem Interview mit dem Titel „Mich interessiert der Fokus auf alles Militärische nicht“: https://www.staatsoper.de/aida/damiano-michieletto

Programm
Ja, Mai

Das Festival für frühes und zeitgenössisches Musiktheater

Die zweite Ausgabe des von der Bayerischen Staatsoper neu gegründeten Ja, Mai Festivals nimmt Synergien zwischen Musiktheater, Tanz und bildender Kunst in den Fokus und kreist um den Themenkomplex „Erwartung“. Das Festival setzt sich mit Motiven wie dem Warten, dem Vergehen von Zeit, der Frage nach dem Loslassen oder Festhalten und den verschiedenen semantischen Dimensionen von Zeit auseinander.

Festivalprogramm

Im Vorfeld von Ja, Mai und im Festivalzeitraum werden die Narrative und Themenkomplexe in einem Festivalprogramm – Themenkonzerte, Kinoreihe, Stelldichein!, Einführungen und Nachgespräche – an verschiedenen Orten Münchens künstlerisch aufgefächert.

 

 

 

Programm
Il ritorno / Das Jahr des magischen Denkens
https://www.staatsoper.de/il-ritorno/loslassen-oder-festhalten



Bildnachweis: Tealia Eliis Ritter


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In seinem Essay beschäftigt sich der Regisseur von Il ritorno / Das Jahr des magischen Denkens Christopher Rüping mit der Frage: „Loslassen oder Festhalten?“


https://www.staatsoper.de/il-ritorno/loslassen-oder-festhalten



Bildnachweis: Tealia Eliis Ritter


Eindrücke
Begegnungen: Die Teufel von Loudun am 11.3.

Nach der Vorstellung von Die Teufel von Loudun am 11. März im Nationaltheater fand die vierte Veranstaltung der Reihe „Begegnungen“ statt. Das Publikum traf dabei in der Rheingoldbar auf Musiker:innen des Bayerischen Staatsorchesters.

 

Programm
Feste feiern, wie sie fallen!

Ein Community Projekt des Bayerischen Staatsorchesters



Von April bis Juni 2023 feiert das Bayerische Staatsorchester sein 500 jähriges Jubiläum an ganz unterschiedlichen Orten in München. Es finden vier interaktive Konzerte von Perlach bis Freiham statt. Am Sonntag, den 25. Juni 2023 wird im Bellevue di Monaco ein großes Fest gefeiert. Alles kommt zusammen: Musik, Workshops, Tanz, Essen und Trinken. Das ganze Areal im und um das Bellevue di Monaco sowie die Glockenbachwerkstatt werden bespielt. Das Tuba-Trio, Tango Sentimentale, Opera-Brass und OPERcussion, gestalten gemeinsam das musikalische Programm.

In Kooperation mit Bellevue di Monaco

TUBA TRIO – Eine Tuba kommt selten allein
Sa 29.04.23 15:00 Uhr
Perlach, Kulturbunt Kulturhaus

SAMBA FÜR ALLE –
Die OPERcussionisten des
Bayerischen Staatsorchesters
Sa 13.05.23 18:00 Uhr
Neuhausen, Kulturzentrum Backstage

ALLES KOMMT ZUSAMMEN
Sa 25.06.23 15:00 Uhr
Bellevue di Monaco

AROUND THE WORLD –
MUSIK UND TÄNZE AUS ALLER WELT
OperaBrass des Bayerischen Staatsorchesters
Sa 01.07.23 15:00 Uhr
Freiham, Stadtteilfest

EINTRITT FREI!


Bildnachweis: Wilfried Hösl


 

 

BSOrec
Der Mondbär
CD im Webshop

Mehr zum Label BSOrec

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Das Bilderbuch von Rolf Fänger und Ulrike Möltgen erzählt von Freundschaft, Besitzen, Teilen und Loslassen. Die Musik spannt einen Bogen von bekanntem Repertoire der Operngeschichte zu Werken des zeitgenössischen Komponisten Richard Whilds. Den Kleinsten wird anhand einer berührenden Geschichte zugleich die Welt der Oper eröffnet. Der Dramaturg der Bayerischen Staatsoper Malte Krasting erstellte das Konzept basierend auf dem Kinderbuch Der kleine Mondbär gemeinsam mit Catherine Leiter, die seit der Saison 2021/22 für die Sparte Kind & Co verantwortlich ist. Am 28. April erschien Der Mondbär jetzt als Hörspiel mit Musik für Kinder.

CD im Webshop

Mehr zum Label BSOrec

Eindrücke
Begegnungen: Manon Lescaut am 25.2.

Nach der Vorstellung von Manon Lescaut am 25. Februar im Nationaltheater fand die dritte Veranstaltung der Reihe „Begegnungen“ statt. Das Publikum traf dabei in der Rheingoldbar auf Musiker:innen des Bayerischen Staatsorchesters.

 

Programm
Eine Tuba kommt selten allein

Das Bayerische Staatsorchester feiert in diesem Jahr den fünfhundertsten Geburtstag, und München feiert mit – nicht nur mit zahlreichen Konzerten und Veranstaltungen im Nationaltheater, sondern auch mit Festen in der ganzen Stadt. Ins KulturBunt Neuperlach kommt ein ganz besonderes Instrument, und zwar die Tuba: Sie ist das tiefste aller Blechblasinstrumente. Im Orchestergraben ist sie meistens versteckt neben der Pauke zu finden, und Tubisten sind es gewohnt, ihre Stimme ganz alleine im Orchester zu spielen. Die drei Tubisten des Bayerischen Staatsorchesters – Stefan Ambrosius, Steffen Schmid und Simon Unseld – wollen diese Tatsache jetzt ändern. Sie steigen aus dem Orchestergraben heraus und wollen gemeinsam spielen. Dazu haben sie sich zusammengetan und präsentieren ein bunt gemischtes Programm mit Musik aller Art – von Barock bis Jazz. Freuen Sie sich auf abwechslungsreiche Musik mit Kaffee und Kuchen im Rahmen eines Gästecafés Spezial von Kulturraum München e.V. und lernen Sie die Tuba besser kennen.



Bildnachweis: Wilfried Hösl


 

Programm
5. KAMMERKONZERT 2022/23 (DER MÜNCHNER KLARINETTENOLYMP)

Im Zentrum des 5. Kammerkonzerts steht Heinrich Joseph Baermann, außergewöhnlicher Klarinettenvirtuose seiner Zeit, der Komponisten wie Giacomo Meyerbeer, Felix Mendelssohn Bartholdy und Carl Maria von Weber zu Kompositionen für die Klarinette angeregt hat. Baermann wurde 1784 in Potsdam geboren und wurde dort sowie in Berlin ausgebildet, bevor er als Militärmusiker während der Kämpfe zwischen Napoleon und Preußen diente. 1807 wurde Baermann als Erster Klarinettist in die Münchner Hofkapelle aufgenommen, wo er bis 1834 wirkte. Baermann war international gefragt und gab in vielen europäischen Städten Konzerte, bevor er 1847 in München verstarb.

Sämtliche auf dem Programm stehenden Werke sind im Zusammenhang mit Baermann zu sehen: So galt Meyerbeers 2. Klarinettenquintett seit dem Zweiten Weltkrieg als verschollen, bis eine Partiturabschrift davon im Nachlass Baermanns entdeckt worden ist. Bei einem Besuch Heinrich Baermanns gemeinsam mit seinem Sohn Carl bei Mendelssohn während einer Konzerttournee in Berlin komponierte Mendelssohn das Konzertstück Nr. 1, während Baermann kochte. Und auch mit Carl Maria von Weber war Baermann befreundet – die beiden bestritten gemeinsam Konzerte, und Weber widmete Baermann seine Klarinettenkompositionen.

Bildnachweis: Druckgrafik, Urheber unbekannt, 1829, Münchner Stadtmuseum, Portraitsammlung; Inv: G M IV/873, Public Domain Mark.01

Eindrücke
BEGEGNUNGEN: DIDO AND AENEAS … ERWARTUNG AM 4.2.

Nach der Vorstellung von Dido and Aeneas … Erwartung am 4. Februar im Nationaltheater fand die zweite Veranstaltung der Reihe „Begegnungen“ statt. Das Publikum traf dabei in der Rheingoldbar auf Musiker:innen des Bayerischen Staatsorchesters.

 

Eindrücke
Un:erhört – Kammerkonzert der Hermann-Levi-Akademie

Am 20. März stellten sich die jungen Nachwuchstalente der Hermann-Levi-Akademie bei einem Konzert in der Alten Pinakothek vor.

Programm
5. Akademiekonzert 2022/23 (Jindra)

Das 5. Akademiekonzert steht ganz im Zeichen eines der sogenannten Hausgötter der Bayerischen Staatsoper: Wolfgang Amadeus Mozart. Sein Konzert für Flöte und Harfe komponierte er wahrscheinlich im April 1778 in Paris als Auftragswerk für den Flöte spielenden Comte de Guines und dessen Tochter, welche die Harfe beherrschte. Das Werk wurde seit 1906 nicht mehr in der Musikalischen Akademie aufgeführt; damals mit Leonore Kennerknecht-Buff an der Harfe (siehe Kachel „Frauen im Orchester“). Im selben Monat berichtete Mozart seinem Vater in einem Brief von der Komposition einer „sinfonie concertante“, deren Originalpartitur allerdings als verschollen gilt. Die Sinfonia Concertante für Bläser wurde lange als Bearbeitung des verlorenen Stücks gehandelt, heute zweifeln einige Wissenschaftler jedoch an, dass Mozart der Urheber dieses Werkes ist.

In Prag komponierte Mozart die Arie „Bella mia fiamma“ für die Sängerin Josepha Duschek, als er sich dort im November 1787 zur Vorbereitung der Uraufführung von Don Giovanni aufhielt. Nur zwei Monate später leitete der Komponist selbst die Uraufführung seiner Symphonie Nr. 38 mit dem Beinamen „Prager Symphonie“, nämlich am 19. Januar 1787 in Prag. Der Dirigent des 5. Akademiekonzerts Robert Jindra stammt selbst aus Prag, wo er am Konservatorium Operngesang und Dirigieren studierte, und mittlerweile den Posten des Musikdirektors des Nationaltheaters innehat.



Bildnachweis: Prag um 1800 (anonyme Radierung)


Meet the Musicians
Bassklarinette

Martina Beck-Stegemann, Klarinettistin des Bayerischen Staatsorchesters, erzählt über die Bassklarinette in A. Sie wurde vor ca. 170 Jahren von Herrn Johann Simon Stengel, Klarinettenbauer aus Bayreuth, gebaut und könnte zur Uraufführung von Tristan und Isolde im Nationaltheater München gespielt worden sein. Es handelt sich um eine Leihgabe der Robert Schumann Hochschule Düsseldorf.

Meet the Musicians
Holztrompete

Andreas Öttl, Solotrompeter des Bayerischen Staatsorchesters und Martin Lechner, Instrumentenbauer aus Bischofshofen, zeigen in diesem Video die Holztrompete, welche 1890 exklusiv für die Oper Tristan und Isolde entwickelt wurde.

Lesestücke
Normalerweise weiß ich nicht genau, wohin ich gehe

Interview



Der Komponist Marjan Mozetich über sein Komponieren, die Entstehung des Violinkonzerts Affairs of the Heart und günstige Schwingungen auf einer einsamen Insel im Sankt-Lorenz-Strom



MM: Marjan Mozetich
SH: Serge Honegger


 

SH: Findest Du es in Ordnung, dass Dein Violinkonzert für ein Ballett verwendet wird?

MM: Oh ja, damit habe ich absolut kein Problem. Ich habe das Ballett immer sehr geliebt, vor allem modernen Tanz. Als Student habe ich lange Zeit in Toronto gelebt und viele Tanzaufführungen gesehen. Und jetzt fühle ich mich privilegiert, dass sich Choreographen für meine Musik interessieren. Affairs of the Heart wurde bereits für mehrere Produktionen verwendet.

SH: Haben Dir die Ergebnisse gefallen?

MM: Weißt Du was? Manchmal kann gute Musik helfen, schlechte Ballette zu tragen. Man kann aber auch das Gegenteil behaupten. Wenn die Musik schlecht ist, sollte man besser sehr gute Tänzer haben.

SH: Gibt es einen Grund, warum Affairs of the Heart in den letzten 20 Jahren derart viele Tanzschaffende begeistert hat?

MM: Nun, ich würde sagen, ein Grund ist, dass ich dazu neige, sehr emotionale Musik zu schreiben. Sie wirkt auf Tänzer und Choreographen, weil sie ihnen einen Grund dafür gibt, tänzerisch etwas auszudrücken, was sie emotional bewegt. Zweitens neige ich dazu, Musik mit Mustern und Rhythmus zu schreiben. Und das passt natürlich zum Tanz. Nun ist es interessant, dass in eurem Programm die Komponistin Unsuk Chin auftaucht. Sie macht keine sehr rhythmische Musik. Ihre Arbeit ist sehr ausdrucksstark, aber auf eine abstrakte Art und Weise. Ich habe mir ebenfalls den Choreographen Marco Goecke angesehen, der mit ihrer Musik arbeitet. Es wird bestimmt einen Grund geben, warum er eine abstraktere Musik gewählt hat. Ich bin sehr gespannt, wie diese beiden Choreographen ihrer Musikwahl folgen werden.

SH: In der Produktion geht es u. a. auch um verschiedene „Passagen“ und die Frage, wie man von A nach B gelangt. Wo beginnt normalerweise Deine eigene künstlerische Reise?

MM: Normalerweise verbringe ich am Anfang viel Zeit damit, am Klavier zu improvisieren, um Ideen zu entwickeln. Ich muss zuerst herausfinden, was ich mit dem Stück überhaupt vorhabe. Es geht darum, thematisches Material zu finden und dann damit zu arbeiten. Für mich ist das wie eine Reise, eine Reise der Klänge, Muster und Gefühle. Normalerweise weiß ich nicht genau, wohin ich gehe, aber ich habe die Technik, ich habe ein Studium hinter mich gebracht und mir Fertigkeiten angeeignet. Diese Dinge helfen mir, das Material durchzuarbeiten.

SH: Du legst also keinen Plan fest und „füllst“ ihn dann mit Noten auf?

MM: Nein, Ich mache einen Schritt und dann einen weiteren Schritt. Nimm zum Beispiel Bach. Zu seiner Zeit schrieb und dachte man in Stimmen. Bach pflegte eine Stimme für vielleicht acht Takte zu schreiben und dann wechselte er zur zweiten Zeile und komponierte acht Takte in Bezug auf die erste Zeile. Dann ging er zurück zur ersten und schrieb weitere acht Takte. Und so entfaltete sich die Komposition nach und nach. Auf diese Weise schreibe ich auch. Das Muster oder die Melodie, für die ich mich entschieden habe, macht immer etwas, geht immer irgendwo hin. Es ist wie beim Weben. Ich habe keine vorgefasste Idee oder Struktur. Eine Sache führt zur nächsten. Das Geheimnis ist, dass man sich immer in irgendeiner Weise auf sein Ausgangsmaterial beziehen sollte. Ich glaube, David Dawson hat einen ähnlichen Ansatz. Er folgt der Idee des organischen Wachstums.

SH: Das Stück war eine Auftragsarbeit, richtig?

MM: Ja, vom Manitoba Chamber Orchestra. Die Uraufführung wurde von der Canadian Broadcasting Corporation (CBC) sogar live ausgestrahlt. In den 90er-Jahren haben sie noch Live-Konzerte, vor allem Uraufführungen, in verschiedenen Städten Kanadas aufgezeichnet und im Radio gesendet. Leider tun sie das nicht mehr und senden nur noch sehr wenig klassische Musik. Das ist schrecklich. Was Affairs of the Heart betrifft, so erhielt CBC dafür ein sehr gutes Echo in der Öffentlichkeit. Die Leute wollten wissen, wo sie die CD kaufen können. Ich war völlig überrascht. Als CBC das Werk drei Jahre später, im Jahr 2000, produzierte, wurde es sogar zu ihrer meistverkauften klassischen Aufnahme. Sie wurde sehr populär.

SH: Hast Du im Hinblick auf die Produktion dieser CD nochmals Änderungen am Werk vorgenommen?

MM: Nein, ich habe es so belassen. Allerdings konnte ich bei den Aufnahme-Sessions nicht dabei sein, um die Tempi zu kontrollieren. So dachte ich anfangs, als ich das Resultat hörte, es sei etwas zu schnell gespielt. Aber dann habe ich mich daran gewöhnt. Interessanterweise fragte mich David Dawson, ob er das Tempo ein bisschen ruhiger haben könne. Es scheint, dass er verstanden hat, was ich geschrieben habe, er fühlte, dass es ein bisschen langsamer gehen sollte, ein bisschen entspannter.

SH: Du hattest also am Anfang keine Ahnung, dass das Stück eine so große Wirkung haben würde beim Publikum?

MM: Nein, ganz und gar nicht. Weißt Du, ich kann nicht einfach abstrakt komponieren. Ich brauche ein gewisses Engagement von einer Gruppe wie zum Beispiel dem Manitoba Chamber Orchestra. Wenn man weiß, dass man gute Musikerinnen und Musiker hat, stehen die Chancen gut, dass man etwas Schönes und Herausforderndes für diese Leute wird schreiben können. Eine solche Verbindung zu haben, ist eine Art von Liebe. Ich möchte ihnen etwas geben, das sie gerne haben, um es mit Freude an das Publikum weiterzugeben.

SH: Ist der Titel des Violinkonzerts programmatisch zu lesen?

MM: Ich gebe nie einen Titel vor, wenn ich zu komponieren anfange. Ich brauche die Freiheit, einfach schreiben und dem Stück später einen Namen geben zu können. Ich kann mich nicht genau erinnern, wann mir der Titel Affairs of the Heart eingefallen ist, aber ich habe das Gefühl, dass es nach dem Tod eines guten Freundes war. Es passierte ganz am Ende des Kompositionsprozesses, als ich von seinem tragischen Tod erfuhr. Ich war sehr angespannt. Damals lebte ich ziemlich isoliert wie ein Einsiedler auf einer Insel im Sankt-Lorenz-Strom in einem alten Bauernhaus, wo ein Klavier stand. Außerdem unterrichtete ich an zwei Nachmittagen pro Woche und fuhr dazu hin und wieder in die Stadt. Als ich plötzlich einen Anruf erhielt, spürte ich, dass etwas nicht stimmte. Der Freund hatte sich das Leben genommen und ich fühlte mich verletzt. Da habe ich gegen Ende des Stücks eine Klimax geschrieben. Die Lautstärke nimmt zu, alles wird schwer und dicht, während der Solist sehr hohe Noten spielt. Ich schüttete mein Herz aus. Und dann erstirbt die Musik und es kommt zu einer ruhigen Auflösung. In diesem Moment fiel mir der Titel ein. Er ist mit dem Gedanken verbunden, dass dieses Stück eine einzige große Emotion ist, die verschiedene Intensitäten durchläuft. Das sind die „Herzensangelegenheiten“, wie sie der Titel bezeichnet, sie können tragisch oder glücklich sein.

SH: David Dawson hat während des Probenprozesses viel über die verschiedenen Farben, Gefühlszustände und Aspekte der Liebe gesprochen.

MM: Weißt Du, jeder muss seinen eigenen Weg finden. Manchmal fragen mich Musikerinnen und Musiker: „Aber was meinen Sie denn genau mit dieser Stelle?“, und darauf antworte ich jeweils: „Ich nehme an, ihr wisst, was ihr zu tun habt. Ihr spielt einfach, was ihr spielen müsst. Stellt euch vor, ich wäre tot.“ Viele sind es gewohnt, die Musik von toten Komponisten zu spielen. Ein lebender Komponist macht sie nervös.

SH: Es ist fast ein Vierteljahrhundert her, dass Du Affairs of the Heart geschrieben hast. In der Zwischenzeit ist eine Menge passiert. Wie hat sich Dein Komponieren seither verändert?

MM: Das ist schwer zu erklären. Ich habe die Zeit, in der ich Werke wie Affairs of the Heart geschrieben habe, hinter mir gelassen. Vielleicht hatten diese Jahre etwas damit zu tun, dass ich auf dieser Insel war und mich mit den richtigen Schwingungen verbunden habe. Ideen kommen und gehen. Jetzt, da ich älter werde, schreibe ich immer weniger, aber der Kompositionsprozess ist immer noch derselbe wie vor 40 Jahren.



Bildnachweis: Serghei Gherciu


Meet the Musicians
Anja Fabricius, Violoncello

Das schönste an ihrem Beruf ist für Anja Fabricius die Tatsache, dass sie gestalten darf, und ein besonderer Konzertmoment war für sie das letzte Akademiekonzert mit Zubin Mehta. Alles daran war dringend. Anja Fabricius’ Buchtipp ist Deutschstunde von Siegfried Lenz. Ihre Kindheitsheldin entstammt ebenfalls einem Buch: Momo.



Bildnachweis: Wilfried Hösl


Eindrücke
2. Themenkonzert

Am 30. März fand das zweite Themenkonzert statt, bei dem Mitglieder des Bayerischen Staatsorchesters sowie die Mezzosopranistin Salome Kammer unter der Musikalischen Leitung von Armando Merino Musik von Toshio Hosokawa spielten und Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Marie-Claire Foblets einen Vortrag hielt zum Thema: Bedroht Vielfalt unsere Demokratie?


Bildnachweis: Wilfried Hösl


Lesestücke
Ouvertüren als Experimentierfeld

Ein kurzer Gang durch die Gattungsgeschichte der Ouvertüre vom mittelalterlichen Fanfarensignal bis zu den Fantasie-Ouvertüren Tschaikowskis. Zu Alexei Ratmanskys dreiteiligem Ballettabend Tschaikowski-Ouvertüren


von Serge Honegger


 

Was wir heute unter „Ouvertüre“ verstehen, ist aus jenem Fanfarensignal von Trompeten, Zinken, Posaunen oder Pauken hervorgegangen, das im Mittelalter den Beginn von Festlichkeiten ankündigte. Vergleichbare musikalische oder klangliche Ereignisse gab es ebenfalls in noch weiter zurückliegenden Epochen. Grundsätzlich besteht die Funktion eines musikalischen Signals im Kontext eines solchen festlichen Anlasses im Ankündigen einer wichtigen gesellschaftlichen Begebenheit. Als zum Ende des Mittelalters und mit der Entwicklung der Notenschrift der Kompositionscharakter wichtiger wurde, trat das Signalhafte in den Hintergrund und wurde in das Werk integriert. Berühmt ist beispielsweise die Eröffnungsfanfare, die Monteverdi als Toccata seiner Oper L’Orfeo voranstellte. Es handelt sich dabei gewissermaßen um das erste notierte, ouvertürenhafte Werk. Das Besondere dieser Orfeo-Toccata besteht darin, dass solche Einleitungen meistens nicht schriftlich fixiert wurden. Genau genommen handelt es sich aber noch nicht um eine Ouvertüre, sondern um ein festliches, akustisches Zeichen, womit Monteverdi, wie es damals die Gepflogenheit war, den Beginn der Aufführung signalisierte – vergleichbar mit der Funktion, die heute die Klangfolge eines Gongs einnimmt, wie er in vielen Theatern, auch im Nationaltheater München, vor Vorstellungsbeginn zu hören ist.

Die Bedeutung der musikalischen Gattung „Ouvertüre“ hat sich im Verlauf der Jahrhunderte stark gewandelt. So irritierte es beispielsweise im 19. Jahrhundert niemanden mehr, dass Orchesterwerke wie die Fantasie-Ouvertüren Tschaikowskis mit diesem Gattungsbegriff bezeichnet wurden. Man erwartete nicht mehr wie noch zu Zeiten der Opera seria, dass die Ouvertüren als Sinfonia den Auftakt zu einem Musiktheaterereignis bildeten. Sie hatten sich im 19. Jahrhundert im Konzertleben etabliert und wurden gerade deswegen geschätzt, weil sich Komponistinnen und Komponisten in dieser Form Freiheiten nehmen und zugleich von der vom Theater herrührenden Dramatik profitieren konnten.

Wie bei den meisten musikalischen Gattungen handelt es sich bei Ouvertüren um keine statische Kategorie. Sie sind, wie das kulturelle Leben überhaupt, einer historisch bedingten Dynamik unterworfen. So erklingen Ouvertüren in unterschiedlichen Epochen zu unterschiedlichen Anlässen und werden zu unterschiedlichen Zwecken eingesetzt. Mit ihnen können Erschütterungen, Umbrüche oder gar Umstürze von kulturellen und gesellschaftlichen Normen zum Klingen gebracht werden. Das Wort „Fantasie“, das Tschaikowski für die Gattungsbezeichnung seiner sich auf Shakespeare-Stoffe beziehenden Ouvertüren wählte, gibt bereits an, dass es sich hier um eine freiere Form handelt, die gleichwohl als eigenständiges und in sich abgeschlossenes Werk zu betrachten ist.

PRÄLUDIEN, INTONATIONEN, TOCCATEN

Man muss sich in Erinnerung rufen, dass vor 1600 öffentliche Aufführungen von Kompositionen noch sehr stark von der Vokalmusik dominiert waren, wo sie u. a. im Rahmen von Messevertonungen in der Kirche erklangen. Erst allmählich löste sich die Instrumentalmusik von den Gesangsstimmen und entwickelte Gattungen, die unabhängig von Tanz oder Gesang im Rahmen von Konzertveranstaltungen zur Aufführung gebracht werden konnten. Bevor also ab 1600 eine so zu bezeichnende Gattung der „Ouvertüre“ existierte, erfüllten Präludien, Intonationen und Toccaten die Funktion, einen Auftakt zu einem speziellen Ereignis zu markieren. Ein Präludium konnte entweder nach strengen Regeln oder improvisiert ablaufen. Es fand im Vorfeld des eigentlichen Werks statt und war mit dem Wirkungsziel verbunden, die Aufmerksamkeit der Hörerschaft zu wecken und auf das häufig mit einer herrschaftlichen Macht in Verbindung stehende Ereignis hinzuweisen.

Mit der Zeit verloren die Präludien jedoch den improvisierenden Charakter und wurden auskomponiert. Monteverdis Orfeo-Toccata bildet in dieser Entwicklung hin zur Ouvertüre einen wichtigen Moment in der Musikgeschichte. Der sowohl improvisierende als auch festliche Charakter ist in den Fantasie- und Konzertouvertüren Tschaikowskis und seiner Zeitgenossen allerdings immer noch präsent. Im Fall von Tschaikowski manifestiert er sich ganz besonders im Experimentierenden, Forschenden und in der Unkonventionalität der musikalischen Formgebung. Ohne ein ganzes Romeo und Julia-, Hamlet- oder Sturm-Musiktheater entwerfen zu müssen, konnte Tschaikowski mittels der Freiheiten, die die Gattung der Fantasie-Ouvertüre bietet, mit den Möglichkeiten des Orchesters spielen, Klangfarben ausprobieren und den mit der Symphonie verbundenen Erwartungshorizont überschreiten.

OPERNSINFONIA

Um das Jahr 1700 herum hatten sich die instrumentalen Orchesterwerke, die eine Aufführung eröffneten, als feste Gattung der „Opernsinfonie“ oder „Ouvertüre“ etabliert. Mit dem Übergang von der höfischen Kultur zum bürgerlichen Zeitalter um 1800 herum verschwand die Opera seria allmählich von den Spielplänen. Und mit ihr ging auch die Rückbindung der Ouvertüren an jenes fürstliche Zeremoniell verloren, das mit solchen Aufführungen oft verbunden war. So suchte sich die Opernsinfonie quasi ein neues Betätigungsfeld – und das gelang ihr sehr erfolgreich. Aus ihr entwickelte sich ab 1750 die autonome Orchestermusik und das ganze symphonische Repertoire, wie wir es heute aus den Konzertsälen kennen. Als dort ab Mitte des 18. Jahrhunderts auch Ouvertüren erklangen, mussten diese Werke zum einen den gestiegenen Ansprüchen des Publikums genügen und sich zum anderen an den Symphonien und Solokonzerten messen lassen.

Beurteilt wurden bei den Ouvertüren, wie bei allen anderen Orchesterwerken, auf welche Weise die Komponistinnen und Komponisten die Regeln zu Satzbau, Kontrapunkt und zur Harmonie umsetzten. Zugleich wollte das Publikum aber auch den Regelbruch, das Innovative und Eigenständige einer künstlerischen Handschrift hören. Um diesen Ansprüchen gerecht zu werden, wurden die Grenzen dessen, was eine Symphonie oder eine Konzertouvertüre ist, immer weiter gezogen, bis sie sich im 19. Jahrhundert allmählich aufzulösen begannen.

OUVERTÜREN IN RUSSLAND

Im Russland des 19. Jahrhunderts war das Konzertleben noch wenig ausgebildet. Hauptsächlich wurden Werke aus Italien, Frankreich und Deutschland zur Aufführung gebracht. Die Gattung der Ouvertüre spielte bei der Entwicklung einer eigenständigen russischen Musikkultur eine nicht unerhebliche Rolle. So tasteten sich viele der komponierenden Musikerinnen und Musiker über Ouvertüren an die größeren symphonischen Formen heran, die sich in Zentraleuropa ab der Wiener Klassik mit Haydn, Mozart und Beethoven etabliert hatten. Eine besondere Rolle nimmt in Russland Michail Glinka (1804–1857) ein, der mit seinem Werk wichtige Impulse setzen konnte. Auch Tschaikowski bezog sich zeitlebens auf die kompositorischen Errungenschaften des älteren Kollegen. Um zu einer eigenen musikalischen Sprache zu finden, stellten Berlioz, Mendelssohn, Liszt und Schumann die maßgebenden Vorbilder für diese Generation dar, weil sie auf besonders innovative Weise nach einem individuellen Ausdruck suchten und unkonventionelle Formen in ihrem Komponieren integrierten.

Nach Tschaikowski waren es u. a. dessen Schüler und enger Freund Sergei I. Tanejew (1856–1915) – der auch das Gesangsduett aus Romeo und Julia aus dem Nachlass seines Lehrers vervollständigte – sowie Rimski-Korsakows Schüler Alexander Glasunow (1865–1936), die für die Weiterentwicklung des russischen Musiklebens wichtig waren.

Für Tschaikowski waren die Ouvertüren ein Experimentierfeld, in dem er sein Gespür für Dramatik umsetzen konnte. Zudem boten die Fantasie-Ouvertüren die Möglichkeit, sich nicht einer Norm fügen zu müssen und neue Formen ausprobieren zu können. Vergleichbar den Werken von Hector Berlioz bekommt man bei Tschaikowskis Fantasie-Ouvertüren Schwierigkeiten, wenn man sie in ein zu enges Gattungskorsett zwängen möchte. Sind es wirklich Ouvertüren, eine Form der dramatischen Symphonie oder eine symphonische Dichtung? Gerade ihr schillernder Charakter erlaubt es, dass sie in der Choreographie von Alexei Ratmansky zu idealen Vorlagen für ein Ballett werden, das sich gleichfalls als ein Fantasieren versteht, ein Fantasieren darüber, welche Rolle das klassische Ballett in der Gegenwart einnimmt, auf welche Weise es sich auf seine eigene Geschichte bezieht und wie es seine eigene Zukunft entwirft.



Bildnachweis: Katja Lotter


 

Zeitzeugnisse
Erich Wolfgang Korngold: Der Ring des Polykrates / Violanta
https://www.loc.gov/item/2005689510/


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Die Uraufführung von Erich Wolfgang Korngolds zwei Einaktern Der Ring des Polykrates und Violanta fand am 28. März 1916 im Münchner Hoftheater statt. Der Komponist war zu diesem Zeitpunkt 18 Jahre alt und war zuvor bereits als 13-Jähriger mit der Uraufführung seiner Ballettpantomime Der Schneemann an der Wiener Hofoper als Wunderkind in Erscheinung getreten. Fertiggestellt hatte Korngold seine heitere Oper Der Ring des Polykrates bereits 1914, woraufhin unmittelbar die Komposition der tragischen Oper Violanta folgte. 1920 folgte schließlich der sensationelle Erfolg von Korngolds Oper Die tote Stadt, die an der Bayerischen Staatsoper zuletzt 2019 unter der Musikalischen Leitung Kirill Petrenkos in einer Inszenierung von Simon Stone und mit Jonas Kaufmann und Marlis Petersen in den Hauptrollen für Furore sorgte. Dokumentiert wurde dieses Spektakel als DVD und Blu-ray im hauseigenen Label Bayerische Staatsoper Recordings. Korngold wurde 1934 von Max Reinhardt nach Hollywood geholt, wo der Komponist die Musik für 19 Filme lieferte und damit die Filmmusik nachhaltig beeinflusste.


Bildnachweis: George Grantham Bain Collection (Library of Congress) https://www.loc.gov/item/2005689510/


 

Programm
Passionskonzert

Am 1. April findet um 18:00 Uhr in der Allerheiligen Hofkirche ein Passionskonzert statt, das gemeinsam von der Hermann-Levi-Akademie und Nachwuchstalenten des Opernstudios der Bayerischen Staatsoper unter der Musikalischen Leitung von Michael Pandya gestaltet wird. Dabei erklingen Stücke aus den beiden großen Oratorien Matthäus-Passion und Johannes-Passion sowie aus der Kantate Sehet! Wir gehn hinauf gen Jerusalem von Johann Sebastian Bach.


 

Bildnachweis: Magdalena König


 

Eindrücke
1. Themenkonzert

Am 26. März fand im Freiraum im München Hoch5 das erste Themenkonzert statt, bei dem Mitglieder des Bayerischen Staatsorchesters Musik von Toshio Hosokawa und Olivier Messiaen spielten und Dr. Lisa Suckert einen Vortrag hielt mit dem Thema: Die Zukunft wartet nicht? Zeitlichkeit im Kapitalismus.


Bildnachweis: Wilfried Hösl


 

Programm
Ballettfestwoche 2023

Anfang April steht beim Bayerischen Staatsballett traditionell die Ballettfestwoche auf dem Spielplan. 1960 vom damaligen Ballettdirektor Heinz Rosen gegründet, zeigt das Festival zwischen dem 31. März und dem 8. April 2023 im Nationaltheater die Höhepunkte der laufenden Saison. Den Auftakt macht der Premierenabend Schmetterling, der zwei Werke des Choreographen-Duos Sol León und Paul Lightfoot präsentiert. Dazu kommen die Handlungsballette Ein Sommernachtstraum von John Neumeier, Romeo und Julia von John Cranko und Cinderella von Christopher Wheeldon. Außerdem bringt das Ensemble nochmals den dreiteiligen Abend Passagen auf die Bühne des Nationaltheaters mit Choreographien von David Dawson (Affairs of the Heart), Marco Goecke (Sweet Bones’ Melody) und Alexei Ratmansky (Bilder einer Ausstellung). Auch die Junior:innen sind wieder mit einer Matinee der Heinz-Bosl-Stiftung vertreten.

Meet the Musicians
Benedikt Don Strohmeier, Violoncello (Stv. Solo)

Benedikt Don Strohmeier macht am liebsten dort Urlaub, wo es Wasser, Wind und bestenfalls noch Wellen gibt, um gut Kitesurfen zu können. Er wusste schon sehr früh im Kindesalter, dass er Musiker werden möchte, musste sich jedoch irgendwann entscheiden, ob es das Cello oder das Klavier werden soll. Damals machte er auch mal Straßenmusik, wie beispielsweise am Finaltag der Fußball-WM 2002. Er setze sich mit seiner Schwester und Freunden in die Altstadt in Regensburg und spielte den zweiten Satz aus Haydns Kaiserquartett in Dauerschleife. Nach circa eineinhalb Stunden hatten sie genug Geld beisammen, um sich einen schönen Nachmittag und Abend zu machen.


Bildnachweis: Wilfried Hösl


 

Meet the Musicians
So-Young Kim, Violine (Vorspieler)
Schau das ganze Video hier. 

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Die Erste Geigerin So-Young Kim stellt sich vor und erzählt von der Asien-Tournee 2017.

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Meet the Musicians
Rupert Buchner, Cello
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Der Cellist Rupert Buchner stellt sich vor und erzählt von der Asien-Tournee 2017.

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Meet the Musicians
Gaël Gandino, Harfe
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Die Harfenistin Gaël Gandino stellt sich vor und erzählt von der Asien-Tournee 2017.

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Meet the Musicians
Thomas März, Schlagzeug
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Der Schlagzeuger Thomas März stellt sich vor und berichtet von der Asien-Tournee 2017.

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Meet the Musicians
Wiebke Heidemeier und Clemens Gordon, Viola
Schau hier das Video. 

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In diesem Video stellen sich die Bratschistin Wiebke Heidemeier und der Bratschist Clemens Gordon vor und sprechen über die Asien-Tournee 2017.

Schau hier das Video. 

Programm
3. Themenkonzert – Das will ich gar nicht wissen

Im Scholastikahaus (Ledererstraße 5, 80331 München) findet am 31. März um 19:00 Uhr das dritte Themenkonzert statt. Die Reihe steht dieses Jahr unter dem Motto: Das Warten aufs Wiedersehen – Woran halten wir uns fest im Wandel der Zeit? Neue Begegnungen mit alten Problemen.

Prof. Dr. Dr. h.c. Christoph Engel, Direktor am Max-Planck-Institut zur Erforschung von Gemeinschaftsgütern, Bonn hält dabei einen Vortrag zum Thema: Das will ich gar nicht wissen.

Für Immanuel Kant gab es keinen Zweifel: „Aufklärung ist der Ausgang des Menschen aus seiner selbst verschuldeten Unmündigkeit.“ Aber wird der Kranke schuldig, der seine Diagnose nicht kennen will? Oder der Ehegatte, der nicht wissen will, ob er betrogen wird? Oder die Befreier, die den Mantel des Schweigens um die Untaten des alten Regimes hüllen? Oder das Unternehmen, das nicht über die Anwesenheit seiner Mitarbeiter Buch führt? Wie ist die bewusste Entscheidung zu bewerten, etwas nicht wissen zu wollen? Und wie kann man den legitimen Wunsch schützen, von Aufklärung verschont zu bleiben?

Mitglieder des Bayerischen Staatsorchesters spielen Isang Yuns Gasa (1963) für Violine und Klavier, zwei Kompositionen von Toshio Hosokawa (Memory. In Memory of Isang Yun für Klaviertrio und Vertical Time Study III für Violine und Klavier) sowie Wolfgang Amadeus Mozarts Klaviertrio Nr. 2 B-Dur KV 502. Damit bildet der meistgespielte Komponist Japans Toshio Hosokawa eine Konstante der diesjährigen Themenkonzerte, dessen Musik hier in Dialog mit einer Komposition seines Kompositionslehrer Isang Yun tritt: Gasa lässt sich mit „Lied-Worte“ übersetzen und stammt als erzählender Gesang aus der koreanischen Tradition.

In Kooperation mit der Max-Planck-Gesellschaft


Bildnachweis: Pietro Bucciarelli / Connected Archives


 

 

BSOrec
Die tote Stadt
DVD kaufen 


Bildnachweis: Wilfried Hösl


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Die Grenze zwischen Traum und Realität löst sich zunehmend auf, als der um seine verstorbene Frau Marie trauernde Paul auf die Tänzerin Marietta trifft. Aufgrund ihrer äußerlichen Ähnlichkeit zu Marie wird Marietta zur Projektionsfläche für die erotischen Wünsche Pauls, dessen Trauer kultische Züge trägt: Die sorgsam aufbewahrte Haarsträhne der Verstorbenen wird wie eine Reliquie verwahrt. Nach einer nervenaufreibenden „Vision“ mit kathartischer Wirkung wird Paul schließlich in der Wirklichkeit geerdet. Er kann die Stadt Brügge als den Ort für seinen Totenkult verlassen. Der ursprüngliche Werktitel „Triumph des Lebens“ ist für die persönliche Entwicklung des Protagonisten bezeichnend.

Wenige Wochen vor der immens erfolgreichen Uraufführung von Die tote Stadt bezeichnete kein Geringerer als Giacomo Puccini den damals 23-jährigen Erich Wolfgang Korngold als „die stärkste Hoffnung der neuen deutschen Musik“. Arien wie „Glück, das mir verblieb“ und „Mein Sehnen, mein Wähnen“ gehören wegen ihrer melodischen Eindringlichkeit zum Konzertrepertoire zahlreicher Opernsänger und strahlen weit über die Bekanntheit der Toten Stadt hinaus.

Die Premiere von Korngolds Die tote Stadt an der Bayerischen Staatsoper im Herbst 2019 wurde von Presse und Publikum gleichermaßen gelobt. Erleben Sie das Bayerische Staatsorchester unter Kirill Petrenko sowie Marlis Petersen (Marie / Marietta) und Jonas Kaufmann (Paul) in den Hauptpartien dieser intensiven und mitreißenden Inszenierung von Simon Stone auf DVD oder Blu-ray. Ausgezeichnet mit den Gramophone Music Awards in den Kategorien Oper und „Recordings of the Year“:

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Bildnachweis: Wilfried Hösl


 

 

Programm
2. Themenkonzert – Bedroht Vielfalt unsere Demokratie?

Im Brainlab (Olof-Palme-Straße 9, 81829 München-Riem) findet am 30. März um 19:00 Uhr das zweite Themenkonzert statt. Die Reihe steht dieses Jahr unter dem Motto: Das Warten aufs Wiedersehen – Woran halten wir uns fest im Wandel der Zeit? Neue Begegnungen mit alten Problemen.

Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Marie-Claire Foblets, Direktorin am Max-Planck-Institut für ethnologische Forschung, Halle (Saale) hält dabei einen Vortrag zum Thema: Bedroht Vielfalt unsere Demokratie?

Das Projekt einer demokratischen, liberalen, offenen und pluralistischen Gesellschaft ist ein ehrgeiziges und zugleich schwieriges Vorhaben, dessen Umsetzung in die Praxis mit Interessens- und Wertekonflikten einhergeht. Die Meinungen über den Grad der Offenheit und des Respekts, der diversen Lebensweisen sowie philosophischen oder religiösen Überzeugungen gebührt, gehen weit auseinander, was anhand von Beispielen aus der Rechtspraxis der gesamten EU, wo sich nicht nur Gerichte, sondern auch Verwaltungen und Gesetzgeber mit Fragen der Vielfalt konfrontiert sehen, veranschaulicht wird. Mit etwas Kreativität lassen sich sinnvolle Lösungen finden, welche sich jedoch, je nach dem verfassungsrechtlichen Rahmen des jeweiligen Landes, unterscheiden.

Mitglieder des Bayerischen Staatsorchesters spielen zwei Kompositionen von Toshio Hosokawa: A Song from far away – In Nomine – für 6 Spieler (2001) und The Raven, ein Monodrama für Mezzosopran und 12 Spieler (2011/12), das auf dem gleichnamigen Gedicht von Edgar Allan Poe basiert. Bei letzterem Programmpunkt hat Armando Merino die Musikalische Leitung inne, und Salome Kammer übernimmt den Gesangspart. Hosokawas A Song from far away entstand als Auftragskomposition für die Wittener Tage für neue Kammermusik, als im Zentrum des Programms „In nomine“-Kompositionen standen, deren Tradition auf John Taverners sechsstimmige Messe Gloria tibi Trinitas zurückgeht. Zuletzt gab es auf der großen Bühne des Nationaltheaters Arnold Schönbergs Monodram _Erwartung_ zu erleben, jetzt also ein zeitgenössisches Werk dieser Gattung im Brainlab: In _The Raven_ wird die Diskrepanz von Vergessen und Erinnern thematisiert, wobei ein Mezzosopran der inneren Stimme einer Frau sowie der Stimme des Rabens und dem Erzähler ihre Stimme verleiht. Musikalisch herrscht eine unheimliche und mysteriöse Stimmung vor.

In Kooperation mit der Max-Planck-Gesellschaft


Bildnachweis: Pietro Bucciarelli / Connected Archives


 

BSOrec
Bayerische Staatsoper Recordings
https://www.staatsoper.de/recordings


Bildnachweis: Wilfried Hösl


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Seit Mai 2021 dokumentiert die Bayerische Staatsoper ihre Exzellenz, Vielseitigkeit und Tradition mit einem neuen hauseigenen Label: Bayerische Staatsoper Recordings.

Entdecken Sie ausgewählte Opernproduktionen und Konzertmitschnitte sowie bedeutende Archivaufnahmen als CD oder DVD/BD unter dem neuen Label der Bayerischen Staatsoper: BSOrec. Auch Produktionen aus dem Kinder- und Jugendprogramm KIND & CO sowie kammermusikalische Editionen, welche erstklassigen Ensembles des Bayerischen Staatsorchesters eine Plattform bieten sollen, vervollständigen das Angebot des Labels.

Kurz nach der Gründung konnte sich das Label außerdem bereits über besondere Auszeichnungen freuen, beispielsweise bei den Gramophone Classical Music Awards 2022: So gewannen Kirill Petrenko und das Bayerische Staatsorchester mit ihrer Aufzeichnung von Gustav Mahlers Symphonie Nr. 7 den Award im Bereich Orchesteraufnahmen, Hans Abrahamsens The Snow Queen wurde in der Kategorie Contemporary ausgezeichnet, und Erich Wolfgang Korngolds Die Tote Stadt erhielt gleich zwei Auszeichnungen: die Kategorie Oper sowie die begehrteste Auszeichnung „Recording of the Year“. Zuletzt gewann unser hauseigenes Label mit der Veröffentlichung The Snow Queen unter der Leitung von Kirill Petrenko in der Kategorie „Video: Oper“ bei den International Classical Music Awards 2023.

Mehr zum Label und den bisherigen Veröffentlichungen:

https://www.staatsoper.de/recordings


Bildnachweis: Wilfried Hösl


 

 

Programm
1. Themenkonzert – Die Zukunft wartet nicht? Zeitlichkeit im Kapitalismus

Im Freiraum im München Hoch 5 (Werksviertel, Atelierstraße 10, 81671 München) findet am 26. März um 19 Uhr das erste Themenkonzert statt. Die Reihe steht dieses Jahr unter dem Motto: Das Warten aufs Wiedersehen – Woran halten wir uns fest im Wandel der Zeit? Neue Begegnungen mit alten Problemen.

Dr. Lisa Suckert, Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Max-Planck-Institut für Gesellschaftsforschung in Köln hält dabei einen Vortag zum Thema: Die Zukunft wartet nicht? Zeitlichkeit im Kapitalismus.

Der Kapitalismus ist nicht nur eine Wirtschaftsordnung und ein Produktionsregime, sondern geht auch mit einer spezifischen zeitlichen Ordnung einher. In dieser spielen Beschleunigung und Zukunftsorientierung eine besondere Rolle, aber eben auch Praktiken des Wartens, ungleiche zeitliche Autonomie und eine bürokratische Einhegung der Zukunft. Entlang der Besonderheiten unserer gegenwärtigen kapitalistischen Zeitordnung werden dessen Attraktivität aber ebenso dessen zahlreiche Paradoxien und Bruchstellen deutlich.

Mitglieder des Bayerischen Staatsorchesters spielen Toshio Hosokawas Stunden-Blumen. Hommage à Olivier Messiaen (2008) für Klarinette, Violine, Violoncello und Klavier sowie Olivier Messiaens Quatuor pour la fin du temps für Klarinette, Violine, Violoncello und Klavier. Hosokawa gilt als der heute bekannteste und meistgespielte Komponist Japans, dessen Musiksprache changiert zwischen westlicher Avantgarde und traditionellen japanischen Kunstformen. Sein Werk Stunden-Blumen entstand anlässlich des 100. Geburtstag des französischen Komponisten Olivier Messiaen, an dessen berühmtem Kammermusikwerk Quatuor pour la fin du temps sich auch die Besetzung der Stunden-Blumen orientiert. Sein „Quartett auf das Ende der Zeit“ stellte Messiaen in einem nationalsozialistischen Kriegsgefangenenlager fertig, wo es 1941 auch uraufgeführt wurde.

In Kooperation mit der Max-Planck-Gesellschaft


Bildnachweis: Pietro Bucciarelli / Connected Archives


 

 

Programm
Zum Programm des Konzerts in der Isarphilharmonie (Jurowski/Capuçon)

Am 25. März spielt das Bayerische Staatsorchester unter seinem Generalmusikdirektor Vladimir Jurowski in der Isarphilharmonie, jenem erst im Oktober 2021 eröffneten Münchner Konzertsaal, der knapp 2000 Gäste fasst. Renaud Capuçon wird Alban Bergs Violinkonzert Dem Andenken eines Engels interpretieren. Die Zueignung meint Manon Gropius – Tochter von Gustav Mahlers Witwe Alma aus ihrer ersten Ehe mit dem Architekten Walter Gropius –, die im zarten Alter von 18 Jahren an den Folgen von Kinderlähmung verstarb. Alban Berg verwendete hierfür die Zwölftontechnik seines Lehrers Arnold Schönberg, wobei er sich einige kompositorische Freiheiten ließ. Anton Bruckners Symphonie Nr. 4, auch „Romantische“ genannt, wurde 1881 in Wien uraufgeführt und erklang bereits neun Jahre später im Rahmen der Musikalischen Akademie unter Franz Fischer, nachdem der Generalmusikdirektor Hermann Levi erkrankt war. Letzterer setzte sich sehr für Bruckners Musik ein, indem er sich beispielsweise an den Druckkosten der vierten Symphonie beteiligte, sodass der von Dankbarkeit enthusiasmierte Bruckner in einem Brief an Levi von München als „künstlerisches Heim“ sprach.


Bildnachweis: © Isarphilharmonie im Gasteig HP8


 

Meet the Musicians
Milena Viotti, Horn
Schau hier das ganze Video. 

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Die Hornistin Milena Viotti stellt sich selbst vor und redet über die Asien-Tournee 2017. 

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Programm
Un:erhört – Kammerkonzert der Hermann-Levi-Akademie

Die Hermann-Levi-Akademie fördert begabte Nachwuchsmusiker:innen, indem sie ihnen Orchesterpraxis unter professionellen Bedingungen ermöglicht – vor allem in der Opernliteratur mit ihren spezifischen Anforderungen, aber auch im symphonischen Bereich.

Die Hermann-Levi-Akademie des Bayerischen Staatsorchesters wurde 2002 unter dem Namen Orchesterakademie des Bayerischen Staatsorchesters gegründet, um die jahrhundertealte Tradition eines der ältesten deutschen Orchester an junge Musiker:innen weiterzugeben und auf diese Weise die besondere Klangvorstellung und Spielkultur für nachfolgende Generationen lebendig zu halten. Seit Juli 2021 trägt die Orchesterakademie den Namen „Hermann-Levi-Akademie“, um Hermann Levis Bedeutung für die Musik und insbesondere seinem zukunftsweisenden Schaffen am Nationaltheater München Rechnung zu tragen.

Am 20. März stellt sich die Hermann-Levi-Akademie in der Alten Pinakothek vor und spielt dabei Ludwig van Beethovens Trio op. 78, arrangiert für Horn, Trompete und Posaune, das Bläserquintett C-Dur op. 79 von August Klughardt, die Fantasie c-Moll für Harfe solo op. 35 von Ludwig Spohr sowie Beethovens Streichquartett c-Moll op. 18 Nr. 4.


Bildnachweis: Frank Bloedhorn


 

 

Zeitzeugnisse
Edvard Grieg an Hermann Levi
https://mitt.bergenbibliotek.no/cgi-bin/websok-grieg?tnr=379743


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Leipzig
30ster Januar 1894.
Hotel Hauffe.

 

Hochgeehrter Herr Generaldirektor!

Nach Ihrem so liebenswürdigen Briefe, für welchen ich herzlich danke, habe ich sogleich den Kaimschen Antrag abgelehnt. Ich freue mich sehr, dass sich die Verhältnisse so gestalten, dass es mir vergönnt wird, unter Ihren Auspicien in München zum ersten Male aufzutreten. Ich ziehe den 9ten März vor in der Hoffnung dass Sie zu dieser Zeit anwesend sind. – Wenn Sie nur nicht über meine künstlerischen [1v] Bedingungen den Kopf schütteln werden! Erstens verlange ich nämlich den ganzen Abend für mich und dann will ich um Alles in der Welt nicht Klavier spielen! Das Programm konnte[!] folgendermassen sein:

1.) Drei Orchesterstücke aus „Sigurd Jorsalfar“, Schauspiel von Björnson (neu.) a) Vorspiel (in der Königshalle) b) Intermezzo (Borghilds Traum) c) Huldigungsmarsch.
2.) Klavierconcert.
3.) 2 elegische Melodien für Streichorchester
4.) Bergliot, Gedicht von Björnson (aus der norwegischen Sage) Declamation mit Orchester.
5.) 1ste Orchestersuite aus „Per Gynt“, dramatisches Gedicht von Ibsen

[2r] Sämtliche Werke sind bei Peters in Leipzig erschienen.

Was das erste Stück des Programms betrifft – es ist soeben erschienen und ich dirigire es übermorgen zum 1sten Mal im Gewandhaus – hat mir der Verleger versprochen, das Notenmaterial, sonstigen Bestellungen aus München gegenüber, zurückzuhalten.

Für das Klavierconcert musste nun allerdings eine geeignete Kraft hinzugezogen werden, z. B. (entweder Mad. Carreno oder) Prof. Arthur de Greef aus Brüssel, der ein ausgezeichneter Interpret des Werkes ist. Für das Melodrama, welches ich nur ungern vermissen möchte, habe ich gehofft, durch Ihre gütige Vermittlung Clara Ziegler zu gewinnen. Das Gedicht ist grossartig schön [2v] und wie für sie geschrieben. Nur weiss ich nicht ob sie einigermassen musikalisch ist. Sollte das Melodrama nicht durchzuführen sein, würde ich natürlich auf Ersatz bedacht sein, z. B. Lieder von Eugen Gura, was sich vielleicht ermöglichen liesse.

Die Honorarfrage spielt keine grosse Rolle. Jedenfalls würde ich Ihnen dankbar sein [gestrichen: Sollte das Budget durch Solistenhonorare etwa erschöpft sein, bin ich auch ohne Honorar zufrieden. Wenn nicht, erlaube ich mir] diese Frage ganz und gar Ihnen zu[!] überlassen [über der Zeile:] zu dürfen.

Schliesslich bitte ich Sie, dem Hofopernorchester meinen aufrichtigen Dank für ihre wohlwollenden Gefühle mir gegenüber, freundlichst übermitteln zu wollen und verbleibe mit bestem Gruß

Ihr verehrungsvoll ergebener Edvard Grieg


Bildnachweis: Bergen Public Library, The Grieg Archives. https://mitt.bergenbibliotek.no/cgi-bin/websok-grieg?tnr=379743


 

Zeitzeugnisse
Frauen im Orchester
https://www.kulturrat.de/themen/frauen-in-kultur-medien/beitraege-publikationen/geschlechtergerechtigkeit-in-berufsorchestern/

Mehr über Leonore Buff: https://www.sophie-drinker-institut.de/buff-leonore


Bildnachweis: Archiv der Musikalischen Akademie


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Heute liegt die Frauenquote im Bayerischen Staatsorchester bei über einem Drittel. Das war nicht immer so: Auf dem Foto von 1911 ist in der ersten Reihe eine einzige Frau als Mitglied der Musikalischen Akademie zu sehen, nämlich die Harfenistin Leonore Kennerknecht-Buff. Sie war angeblich verwandt mit Charlotte Kestner (geboren Buff), die als historisches Vorbild der Lotte in Goethes Briefroman Die Leiden des jungen Werthers in die Literaturgeschichte einging. 1892 wurde Buff als Mitglied im Bayerischen Hoforchester, dem späteren Bayerischen Staatsorchester, aufgenommen. Andere Orchester brauchten für diesen Schritt deutlich länger: Während die Berliner Philharmoniker 1982 die erste Frau als Orchestermitglied aufnahmen, zogen die Wiener Philharmoniker erst 1997 nach.

Mehr zu Frauen in Orchestern: https://www.kulturrat.de/themen/frauen-in-kultur-medien/beitraege-publikationen/geschlechtergerechtigkeit-in-berufsorchestern/

Mehr über Leonore Buff: https://www.sophie-drinker-institut.de/buff-leonore


Bildnachweis: Archiv der Musikalischen Akademie


 

 

Programm
Zum Programm des 4. Kammerkonzertes 2022/23: Musik um Richard Strauss

Als 23-Jähriger war Richard Strauss gerade Kapellmeister in Meiningen; in dieser Zeit komponierte er die Sonate Es-Dur für Violine und Klavier op. 18, in welcher der musikalische Einfluss des 31 Jahre älteren Johannes Brahms spürbar ist. „Straussens _Salome_ und Elektra“ nannte Karl Amadeus Hartmann selbst als zentralen Einfluss seiner ersten Kompositionen. Hartmann gründete die Münchner Konzertreihe musica viva, und einige seiner frühen Werke wurden an der Bayerischen Staatsoper uraufgeführt, wo er ab 1945 sogar als Dramaturg wirkte. In seinem 1932 entstandenen Kleinen Konzert für Streichquartett und Schlagzeug reichert das Schlagwerk das Streicherensemble mit ungewohnten Klangfarben an. Zwei Monate vor der Uraufführung von Hans Pfitzners Oper _Palestrina_ verlieh Thomas Mann seiner Vorfreude darauf Ausdruck in einem Brief an den Komponisten, denn „sie wird ja eine Apotheose der Musik selbst, nichts Geringeres, bedeuten“. Bevor eben jene Uraufführung 1917 tatsächlich zum Münchner Triumph Pfitzners werden sollte, komponierte dieser sein Klavierquintett op. 23. Es wurde 1908 uraufgeführt und war Bruno Walter, dem späteren Generalmusikdirektor des Bayerischen Staatsorchesters, gewidmet.


Bildnachweis: Magdalena König


 

 

Zeitzeugnisse
Bierzeichen im Hofbräuhaus München
https://www.historisches-unterfranken.uni-wuerzburg.de/db/biermarken/biermarken/aufsatz.php

Zum Hofbräuhaus in München: https://www.hofbraeuhaus.de/bierzeichen/


Bildnachweis: Wilfried Hösl


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Die Brauerei Staatliches Hofbräuhaus in München bewahrt die Tradition der Bierzeichen, auch Biermarken genannt: Seit dem 19. Jahrhundert dienten sie als Rechenhilfsmittel und waren lange Zeit Bestandteil fast jeder Brauerei; zuerst aus Messing, dann aus Aluminium, später aus Plastik, in den Nachkriegsjahren nach dem Zweiten Weltkrieg auch in Form von Papierscheinen. Jede Marke hat einen konkreten Gegenwert, zum Beispiel „1 Maß Hell oder Dunkel“ oder „Gut für 1 Liter Bier“. Im Hofbräuhaus am Platzl lassen sich Bierzeichen erwerben, die den Gegenwert einer Mass Bier behalten, auch wenn die Preise auf der Getränkekarte steigen. Jetzt gibt es vom Hofbräuhaus auch ein Bierzeichen zu Ehren des 500-jährigen Jubiläums des Bayerischen Staatsorchesters.

 

Wissenswertes über die Biermarke: https://www.historisches-unterfranken.uni-wuerzburg.de/db/biermarken/biermarken/aufsatz.php

Zum Hofbräuhaus in München: https://www.hofbraeuhaus.de/bierzeichen/


Bildnachweis: Wilfried Hösl


 

 

Eindrücke
Applaus nach der Premiere von Krieg und Frieden

Am 5. März feierte Sergej Prokofjews Oper _Krieg und Frieden_ in einer Inszenierung von Dmitri Tcherniakov Premiere im Nationaltheater. Der Generalmusikdirektor Vladimir Jurowski dirigierte das Bayerische Staatsorchester, den Bayerischen Staatsopernchor sowie den Zusatzchor der Bayerischen Staatsoper. Die Oper erfordert außerdem ein riesiges Sängerensemble, das die zahlreichen Rollen verkörpert.


Bildnachweis: Wilfried Hösl


 

Lesestücke
Oper am Telefon

von Thomas Herbst


Die erste internationale Elektrizitätsausstellung in Paris 1881 wollte zeigen, welche Kräfte in der nun vom Menschen gezähmten Kraft des Blitzes lagen: Hellerleuchtete Säle, eine Glühlampe, die man mit einem Schalter leuchten und wieder verlöschen lassen konnte, elektrische Straßenbahnen und eine Opernübertragung am Telefon begeisterten die Menschen. Darunter auch Oskar von Miller, damals noch ein bei seinen Vorgesetzten in München als verschroben geltender Baupraktikant – heute bekannt als Gründer des Deutschen Museums. Von Paris zurückgekehrt konnte er Gleichgesinnte dazu bewegen, eine solche Ausstellung auch in der bayerischen Hauptstadt zu organisieren. Schon im nächsten Jahr fand diese dann im Glaspalast in der Nähe des Hauptbahnhofs statt. Auch hier wurde eine Telefonübertragung aus der Oper eingerichtet: in einer Kabine konnte man einen Hörer ans rechte und einen ans linke Ohr halten und also sogar stereo der von 12 Mikrofonen im Nationaltheater aufgezeichneten Musik lauschen – eine Erfahrung, die größtes Erstaunen und manche Verwirrung hervorrief. So berichtet Oskar von Miller: „Ein komisches Intermezzo bildete ein Versuch, bei dem der Hoftheaterintendant Perfall die Tellaufführung aus dem Hoftheater in Tutzing anhörte, während ich im Glaspalast mich eingeschaltet hatte. Auf meine Anfrage, ob es nicht angenehm sei, von Tutzing aus die Oper kontrollieren zu können, kam keine Antwort, aber am nächsten Morgen kam Perfall entrüstet in mein Büro und verlangte die Herausnahme des Telefons, weil ich auf der Bühne so geschrien hätte, daß ich fast den Sänger Vogl übertönt habe, was er sich natürlich nicht gefallen lassen könne.“
Auf einer der jetzt regelmäßig stattfindenden Ausstellungen wurden 1891 dann Vorstellungen aus München sogar bis nach Frankfurt a. M. übertragen. Die Illustrierte Zeitung berichtet: „Am Abend aber herrscht ein gewaltiges Gedränge bei der Übertragung der Oper aus Frankfurt, noch mehr aber der aus München. Fast will es mir scheinen, als ob die Besucher der Abteilung, in der die Übertragung der Münchner Oper stattfindet, dieselbe mit zu großen Ansprüchen betraten. Einen reinen Genuß hat man bei diesen Opernübertragungn nicht; gewöhnlich machen sich in den Telefonen, mit denen man hört, störende Nebengeräusche, knackende und schnarrende Laute bemerkbar. Manchmal hört man die Musik nur sehr undeutlich und verschwommen, manchmal verschwindet sie ganz, je nachdem im Orchester nur bestimmte Instrumente spielen, die weiter oder näher von dem Aufnahme-Megaphone entfernt sind, und je nach der Stellung der Sänger und Sängerinnen auf der Bühne. Sehr oft aber hat man doch minutenlang einen wirklichen Genuß, indem man auf die weite Entfernung voll und deutlich jeden Laut der Musik und des Gesanges hört. … Bewahrheitet sich die Nachricht, daß Edison auch noch die Möglichkeit gefunden hat, die schauspielerischen Vorstellungen auf weite Entfernungen hin elektrisch sichtbar zu machen, dann wird vielleicht die Zeit gekommen sein, in der in jedem Lande nur ein einziges Zentralopern- und Schauspielinstitut besteht, von dem aus durch Leitungen alle einzelnen Orte und alle einzelnen Wohnungen mit dem notwendigen Quantum von Schauspiel- und Operngenüssen versehen werden können.“


Bildnachweis: 150 Jahre Bayerisches Nationaltheater, Hrsg: Generaldirektion der Bayerischen Staatstheater, C. Hirth’s Verlag G.M.B.H., München, 1928


 

 

Meet the Musicians
Porth-Pauke

Miriam Noa vom Stadtmuseum München sowie die beiden Solopauker des Bayerischen Staatsorchesters Pieter Roijen und Ernst-Wilhelm Hilgers zeigen ein Instrument, das bei Münchner Uraufführungen von Richard Wagners Opern zum Einsatz gekommen ist.

Meet the Musicians
Strohfiedel

In diesem Video informiert Claudio Estay über die Strohfiedel, ein besonderes Xylophon, das im Bayerischen Staatsorchester immer noch während Vorstellungen von Richard Strauss’ Salome zum Einsatz kommt.

 

Programm
Krieg und Frieden: Zur Inszenierung

von Malte Krasting


Der russische Regisseur Dmitri Tcherniakov erzählt Opernhandlungen zumeist in unserer Gegenwart, oft in scheinbar alltäglichen oder intimen Umgebungen und Situationen – und immer in Bühnenbildern, die er, wie auch alle anderen Aspekte der künstlerischen Ausgestaltung, stets selbst entwirft oder mit konzipiert. Das Getümmel von Haupt- und Staatsaktionen erscheint in seinen Inszenierungen wie unter dem Mikroskop. Konflikte werden hautnah auf Augenhöhe ausgetragen. Nie kann man sich als Zuschauer in die Perspektive einer distanzierten Totale flüchten, stattdessen gehen einem die Figuren in ihrer Unvollkommenheit, mit ihren Fehlern, ihren mal gelingenden, mal vergeblichen Versuchen des Glücklichseins nahe.

Seine Deutung von Krieg und Frieden spielt in einem für die russische Gesellschaft höchst signifikanten Raum, dem Säulensaal im Haus der Gewerkschaften: ein architektonisch bedeutsames und historisch aufgeladenes Gebäude mitten in Moskau. Ursprünglich um 1775 für einen Fürsten zur Zeit Katharinas II. errichtet, diente es lange der sogenannten Adelsgesellschaft – einem Organ der politischen Selbstverwaltung – als Versammlungsort, an dem auch glanzvolle gesellschaftliche Veranstaltungen und politische Verlautbarungen stattfanden, wie zum Beispiel 1856 die Rede Zar Alexanders II. zur Abschaffung der Leibeigenschaft. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurden hier auch Konzerte gespielt: von einheimischen Künstlern wie Nikolai Rubinstein (mit dem ersten öffentlichen Konzert in Moskau, 1862), Pjotr Tschaikowski und Sergej Rachmaninow ebenso von ausländischen Gästen wie dem Ehepaar Robert und Clara Schumann und Hector Berlioz. Im Ersten Weltkrieg als Lazarett und für Wohltätigkeitsaktionen genutzt, wurde das Gebäude nach der Oktoberrevolution dem Zentralrat der russischen Gewerkschaften übertragen. Das nunmehrige Haus der Gewerkschaften blieb weiterhin Ort politischer Ereignisse wie der Parteitage der KPdSU, aber auch von Schachweltmeisterschaften und Modenschauen. Außerdem wurden hier die verstorbenen Führer des kommunistischen Systems aufgebahrt, von Lenin und Stalin bis Breschnew und Gorbatschow. Nicht zuletzt fanden hier die tödlichen Schauprozesse statt, mit denen Stalin unzählige Gegner aus vorgeschobenen Gründen verurteilen ließ, ebenso wie die berüchtigten Komponistenkongresse, bei deren Scherbengerichten Musiker wie Schostakowitsch und auch Prokofjew öffentlich Abbitte für ihren vermeintlichen „Formalismus“ leisten mussten. Andererseits beherbergte das Haus öffentliche Bibliotheken und Einrichtungen für Kinder.

In diesem Raum findet sich eine große Zahl von Menschen, die hier offensichtlich nicht freiwillig und nur mit den nötigsten Utensilien gestrandet sind; sie können nicht mehr nach Hause und müssen sich auf unbestimmte Zeit in dieser zufälligen Gemeinschaft einrichten. Wie von selbst beginnen sie, sich in Rollen hineinzudenken und Gespräche, Szenen, Feste zu spielen. Ob es die erwachende Liebe einer jungen Frau ist, die Hoffnung eines gebrochenen Mannes auf neues Glück, der Ehrgeiz von Soldaten, sich in der Schlacht zu profilieren, die Zurückweisung von Bitten um Anerkennung: fröhliche Momente und bittere Enttäuschung, alles ereignet sich aus einem Rollenspiel heraus, wächst sich aber unweigerlich zu Emotionen aus, bei denen nicht mehr zu unterscheiden ist, was nur angenommen und was wirklich empfunden ist. Der Weg geht in Richtung Krieg – die Verletzungen drohen echt zu werden, vorgetäuschte Kämpfe kippen in blutige Auseinandersetzungen um. Was ist das für eine Welt, in der Menschen, die zusammen sind, früher oder später beginnen, sich gegenseitig umzubringen? Diese große Frage, die schon Tolstoi in seinem Buch stellt und die – trotz teilweiser Umdeutung von dessen geschichtsphilosophischer These durch Prokofjew – auch in der Oper virulent ist, wird in Dmitri Tcherniakovs Inszenierung in den Vordergrund rücken: indem in einem Raum, dessen Hülle von russischer Geschichte nur so strotzt, exemplarisch gezeigt wird, was geschehen kann, wenn wir nicht mit Humanismus und unter Gewaltverzicht aufeinander achtgeben.


Bildnachweis: Wilfried Hösl


 

Ensembles
Schumann-Quartett
www.schumann-quartett.de erhältlich sind.

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Aus Mitgliedern des Bayerischen Staatsorchesters bestehend, brachte das Schumann-Quartett München im Gründungsjahr 1994 Béla Bartóks frühes Klavierquintett und Arnold Schönbergs 2. Streichquartett mit Sopran zur Aufführung. Seither folgten Einladungen zu Konzerttourneen und Festivals in Europa, Japan und den USA. Die enge Zusammenarbeit mit Sängern und Komponisten ermöglicht es dem Ensemble, neben dem weit gefächerten gängigen Quartett-Repertoire selten zu hörende Werke sowie Uraufführungen und experimentelle Stücke zur Aufführung zu bringen, die über die reine Tonsprache hinaus Video- und Sprachkunst vereinen. Die erste Geigerin Barbara Burgdorf ist Konzertmeisterin des Bayerischen Staatsorchesters. Traudi Pauer spielt hier seit 1996. Stephan Finkentey ist seit 1988 Stellvertretender Solobratscher, ein Jahr später kam Oliver Göske zum Bayerischen Staatsorchester. Zum Schumann-Jahr 2010 nahm das Quartett zwei Doppel-CDs auf, die im Handel oder über www.schumann-quartett.de erhältlich sind.

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